Entscheidungsstichwort (Thema)

einstweiliger Rechtsschutz. Zulässigkeit einer vorläufigen Feststellung. Rechtsschutzbedürfnis. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsvereinbarung. Umfang einer Sanktion. kein Ersatzanspruch. kein Erfüllungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung können auch vorläufige Feststellungen getroffen werden.

2. Zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem die vorläufige Feststellung begehrt wird, dass die Antragstellerin nicht aus der mit dem Antragsgegner abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB 2 verpflichtet ist.

3. Eine Arbeitsgemeinschaft oder optierende Kommune hat keinen Erfüllungsanspruch aus einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB 2.

 

Orientierungssatz

1. Die Frage, ob ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig ist, kann mit der Feststellungsklage geklärt werden.

2. Eine Leistungsabsenkung iS des § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a SGB 2 ist nur gegenüber dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen vorgesehen, mit dem die Vereinbarung geschlossen wurde; eine Absenkung gegenüber den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft oder eine Kürzung des der Leistungsberechnung zugrunde zu legenden Bedarfs ist nicht möglich.

3. Das Tatbestandsmerkmal der Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit im Rahmen des § 34 Abs 1 S 1 SGB 2 wird nicht bereits durch die Aufrechterhaltung der Hilfebedürftigkeit erfüllt.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Dresden vom 28. März 2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten der Antragstellerin sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend den Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes, mit dem begehrt wird festzustellen, dass die Antragstellerin aus der mit dem Antragsgegner am 11. Januar 2007 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung nicht verpflichtet ist, als unzulässig abgelehnt.

1. Der Antrag ist allerdings nicht, wie der Antragsgegner im Verfahren vor dem Sozialgericht vorgetragen hat, bereits deshalb unzulässig, weil ein Antrag auf Feststellung nicht Gegenstand eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes sein könne. Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend.

Da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht vorliegen, kann der begehrte vorläufige gerichtliche Rechtschutz nur im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG gewährt werden. Für die Frage, wie etwaiger vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden kann, ist auf das in Betracht kommende Hauptsacheverfahren und den dort möglichen Entscheidungsrahmen abzustellen. Das Gericht kann allerdings durch eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nicht mehr zusprechen, als der Antragsteller mit einer Hauptsacheklage erreichen könnte (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung [14. Aufl., 2005], § 123 Rdnr. 11, m.w.N.)

Im Hauptsacheverfahren ist die Feststellungsklage nach § 55 SGG die statthafte Klageart. Die Antragstellerin macht nicht nur geltend, dass die Eingliederungsvereinbarung, die auf § 15 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) beruht, anfechtbar sei, sondern sie vertritt ausdrücklich die Auffassung, dass die Vereinbarung gegen gesetzliche Bestimmungen verstoße. Sie führt diesbezüglich unter anderem aus, dass mit ihr eine Eingliederungsvereinbarung überhaupt nicht hätte abgeschlossen werden dürfen. Denn sie nehme keine Leistungen nach dem SGB II in Anspruch, sondern beziehe eine Erziehungsrente nach § 47 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI). Auch bestehe keine Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Partner, der Leistungen nach dem SGB II beziehe. Zwar lebe sie zusammen mit ihren beiden minderjährigen Kindern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem Partner und dessen minderjährigem Kind. Da aber ihr Einkommen und das ihrer beiden Kinder ausreiche, um den Bedarf dieser drei Personen zu decken, würde sie nicht der Bedarfsgemeinschaft ihres Partners angehören. Ob diese sowie die weiteren von der Antragstellerin gegen die Eingliederungsvereinbarung vorgetragenen Einwände durchgreifen, ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden. Denn die Einwände sind im Rahmen der Begründetheit der Feststellungsklage zu prüfen. Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang ausschließlich, dass die Antragstellerin im Kern behauptet, die Eingliederungsvereinbarung sei wegen Gesetzesverstoßes unwirksam, d.h. nichtig, im Sinne von § 58 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Die Frage aber, ob ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig ist, kann unstreitig mit der Feststellungsklage geklärt werden (vgl. Engelmann, in: von Wulffen, SGB X [5. Aufl., 2005], § 58 Rdnr. 3, m.w.N.).

Dass aber im Rahmen einer einstweiligen Anordnung auch vorläufige Feststellungen getroffen werden...

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