Verfahrensgang

VG Aachen (Aktenzeichen 1 K 2068/03)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die im Jahre 1917 geborene Klägerin, die bis zum April 2001 in N. ansässig war, lebt seit dem 4. April 2001 in einem Altenheim der F.-I.-Stiftung in T.. Sie wird dort entsprechend der Pflegestufe II gepflegt. Die ungedeckten Heimpflegekosten werden aus Mitteln der Sozialhilfe übernommen.

Einen von ihr zuletzt im November 2002 gestellten Antrag auf Bewilligung von bedarfsorientierter Grundsicherung im Alter ab 1. Januar 2003 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. April 2003 mit der Begründung ab, die Klägerin könne ihren nach Maßgabe des § 3 GSiG zu sichernden Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen und Vermögen beschaffen, wie sich aus der beigefügten Berechnung ergebe. Danach überstieg das Einkommen der Klägerin mit ihrer Altersrente von 620,48 EUR monatlich die Summe des in Ansatz gebrachten Grundsicherungsbedarfs von 567,95 EUR um 52,53 EUR. Als maßgebenden Regelsatz hatte der Beklagte in die Berechnung mit 234,00 EUR den Regelsatz eines Haushaltsangehörigen eingestellt.

Gegen diesen Bescheid wandte sich die Klägerin mit dem Widerspruch. Sie machte geltend, der Beklagte habe ihre mit den Merkmalen „G/aG/RF” anerkannte Schwerbehinderteneigenschaft außer Betracht gelassen, und bat um Überprüfung des ablehnenden Bescheides. Daraufhin brachte der Beklagte bei der Berechnung des Grundsicherungsbedarfs einen Mehrbedarf von 20 % des Regelsatzes eines Haushaltsangehörigen in Ansatz und wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 9. September 2003 mit der Begründung zurück, der angefochtene Bescheid sei im Ergebnis nicht zu beanstanden, weil das Einkommen der Klägerin auch bei Berücksichtigung des Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung den Grundsicherungsbedarf noch um 5,73 EUR übersteige.

Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin im Wesentlichen gegen den Ansatz des Regelsatzes eines Haushaltsangehörigen bei der Berechnung ihres Bedarfs gewandt. Sie hat die Ansicht vertreten, dass für sie als alleinstehende Witwe der Regelsatz eines Haushaltsvorstandes anzusetzen sei, der zum 1. Juli 2002 in Nordrhein-Westfalen 293,00 EUR betragen habe. Hieran ändere der Umstand, dass sie in einem Altenheim lebe, nichts. Demnach übersteige ihr Grundsicherungsbedarf das anrechenbare Einkommen.

Die Klägerin hat dem Sinne nach beantragt,

den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 22. April 2003 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. September 2003 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr unter Berücksichtigung eines maßgebenden Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand von 293,00 EUR ab 1. Januar 2003 eine bedarfsorientierte Grundsicherung zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, für die Klägerin sei (nur) der Regelsatz für Haushaltsangehörige anzusetzen, weil zusätzliche Aufwendungen, die einem Haushaltsvorstand entstünden, bei Heimbewohnern nicht anfielen.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 4. November 2004 den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 30. Juni 2004 eine bedarfsorientierte Grundsicherung unter Berücksichtigung eines maßgebenden Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die in Rechtsprechung und Literatur für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 21, 22 BSHG entwickelten Überlegungen, wie der Regelsatz zu bemessen sei, wenn in dem Haushalt eines Alleinstehenden Generalkosten nicht entstünden, ließen sich auf das Recht der Grundsicherung nicht übertragen. Das Grundsicherungsgesetz sei im Gegensatz zum Bundessozialhilfegesetz bewusst pauschalierend gefasst, weil mit der bedarfsorientierten Grundsicherung eine andere Qualität von Anspruch und Inhalt der Unterstützung habe geschaffen werden sollen. Um der „verschämten Altersarmut” zu begegnen, sollten die Anspruchsberechtigten bei Bedarf eben nicht auf die Sozialhilfe verwiesen werden. Dies rechtfertige es, den Alleinstehenden in jedem Fall wie einen Haushaltsvorstand zu behandeln und ihm den erhöhten Regelsatz zukommen zu lassen.

Mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend: Es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der inhaltlichen Verknüpfung des Grundsicherungsgesetzes mit der bewährten Regelsatzsystematik des Bundessozialhilfegesetzes sehr wohl eine entsprechende „Bedarfsdifferenzierung” nach dem jeweiligen Kostenaufwand für „Haushaltsvorstände” und sonstige Haushaltsangehörige beabsichtigt habe. Neben dem Wortla...

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