Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage eines Gehörsverstoßes bei Anwendung des § 87 b VwGO

 

Leitsatz (amtlich)

In Präklusionsverfahren nach § 87 b VwGO gilt der absolute Verzögerungsbegriff.

 

Normenkette

VwGO § 87b

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Urteil vom 16.06.2005; Aktenzeichen 11 K 135/05.A)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 11 K 135/05.A – wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Antragsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

 

Gründe

Dem Antrag des im Jahre 2004 in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Klägers, der chinesischer Staatsangehöriger ist, auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 16.6.2005, mit dem das Verwaltungsgericht seine Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Bestehens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 1 bis Abs. 7 AufenthaltsG abgewiesen hat, kann nicht entsprochen werden.

Das Vorbringen des Klägers in der Begründung seines Zulassungsantrages, das den gerichtlichen Prüfungsumfang in dem vorliegenden Verfahren begrenzt, rechtfertigt nicht die erstrebte Berufungszulassung wegen des geltend gemachten qualifizierten Verfahrensverstoßes (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO).

Insoweit bemängelt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht seinen in der mündlichen Verhandlung vom 16.6.2005 gestellten Beweisantrag

„Der Kläger hat mit C.T. und seinem Sohn an der Schlägerei vom 21.05.2004 teilgenommen und wurde danach von der Polizei gesucht. Herr C. und Sohn wurden verhaftet und zwischenzeitlich verurteilt.

Dies kann durch den Vater C. A., Stuttgart bestätigt werden, der aufgrund seiner Kontakte mit seiner Mutter und Verwandten des Herrn C. über diese Vorgänge informiert worden ist. Insofern beantrage ich, den Vater des Klägers als Zeugen zu vernehmen.”

als verspätet nach § 87 b Abs. 3 VwGO zurückgewiesen. Die erstinstanzliche Begründung hierfür erscheine unzutreffend, weil keine ausreichende Abwägung zwischen der Verzögerung des Verfahrens und der Bedeutung des Asylgrundrechts im Hinblick auf den Kläger erfolgt sei. Bei einer Verfahrensdauer von – nur – ca. 6 Monaten hätte eine positive Entscheidung über eine Vernehmung des in Stuttgart wohnhaften Vaters des Klägers nur eine kurze Verzögerung bewirkt. Auch seien nicht alle übrigen Voraussetzungen des § 87 b Abs. 2 und 3 VwGO gegeben. Dem Gericht sei am 14.6.2006 telefonisch von der Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt worden, dass der Vater des Klägers, der als Zeuge in der Sitzung präsent sein sollte, aus beruflichen Gründen dies nicht bewerkstelligen könne. Er habe erst kürzlich eine Arbeit angetreten und könne ohne ein offizielles Schreiben oder eine informelle Mitteilung seitens des Gerichts ohne Risiko des Arbeitsplatzverlustes nicht seiner Arbeit fernbleiben. Das Gericht habe eine „Art Vorladungsschreiben” abgelehnt und sich dahingehend geäußert, dass ein neuer Termin bestimmt werden würde, falls der Vater als Zeuge benötigt würde. Der ablehnenden Begründung lasse sich aber nicht entnehmen, ob es auf die Zeugenaussage ankomme.

Mit diesem Vorbringen ist eine Gehörsrüge im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG hinreichend dargelegt

siehe in diesem Zusammenhang auch Kopp, VwGO, 14. Auflage § 87 b Rdnr. 14, wonach eine nach Meinung der Partei zu Unrecht erfolgte Zurückweisung eines Beweismittels nur mit dem Zulassungsantrag nach § 124 a VwGO bzw. § 78 AsylVfG angegriffen werden kann,

sie erweist sich jedoch nicht als begründet.

Der durch Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich gewährleistete Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das angerufene Gericht dazu, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen sowie Anträge beziehungsweise Beweisanregungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.

Die Prozessbeteiligten sind insbesondere befugt, Anträge zu stellen. Erhebliche Beweisanträge müssen vom Gericht berücksichtigt werden, über in der mündlichen Verhandlung gestellte Anträge ist ausdrücklich durch Beschluss zu befinden. Die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs ist jedoch den einzelnen Verfahrensordnungen überlassen. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt daher keinen Schutz dagegen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des materiellen oder formellen Rechts unberücksichtigt lässt. Der Gesetzgeber kann das rechtliche Gehör auch im Interesse der Verfahrensbeschleunigung durch Präklusionsvorschriften begrenzen. Allerdings müssen solche Vorschriften wegen der einschneidenden Folgen, die sie für die säumige Prozesspartei nach sich ziehen, strengen Ausnahmecharakter haben. Dieser ist jedenfalls dann gewahrt, wenn die betroffene Partei ausreichend Gelegenheit hatte, sich in den ihr wichtigen Punkten zur Sache zu äußern, dies aber aus von ihr zu vertretenden Gründen versäumt hat

hierzu etwa Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Januar 1985 – 1 BvR 876/84 –, BVerfGE 69, 145, 1...

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