Entscheidungsstichwort (Thema)

Tierhalterhaftung bei Verletzung eines Familienangehörigen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Lebt der verletzte Arbeitnehmer mit dem als Tierhalter haftenden Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft, ist der gesetzliche Forderungsübergang gemäß § 6 Abs. 1 EFZG auf den Arbeitgeber, der dem Geschädigten nach § 3 Abs. 1 EFZG Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leistet, in entsprechender Anwendung von § 67 Abs. 2 VVG ausgeschlossen (Fortführung BGHZ 66, 104 zu § 4 Abs. 1 LFZG a.F.).

2. Die so genannte Haftungsablösung gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII (entspricht § 636 Abs. 1 RVO a.F.) greift nicht ein, wenn der Vater des privaten Hundehalters aus Gefälligkeit die kurzzeitige Aufsicht über den Hund übernimmt und dabei von diesem verletzt wird.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 08.07.1999; Aktenzeichen 4 O 5901/98)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichtes Dresden vom 8. Juli 1999 unter Aufhebung im Kostenpunkt teilweise

abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit ihr in Höhe von 16.319,81 DM nebst anteiligen Zinsen stattgegeben worden ist. Im Übrigen wird sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Die Beschwer der Parteien übersteigt 60.000,00 DM jeweils nicht.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

– Streitwert der Berufung: 32.639,62 DM –

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Steuerberatungsgesellschaft aus Hamburg, nimmt den Beklagten, den Sohn ihres Prokuristen, auf Ersatz der diesem geleisteten Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in Anspruch.

Der Beklagte fuhr seinen Vater am 13.09.1997 zur Dresdner Niederlassung der Klägerin in die S. Straße. Auf dem Beifahrersitz des PKW hatte der Hund des Beklagten Platz genommen, ein knapp 20 kg schwerer Cockerspaniel. Am Ziel stieg der im Fond des Fahrzeuges sitzende Vater aus und öffnete auf die Bitte seines Sohnes die Beifahrertür, um den Hund herauszulassen und mit in das Büro zu nehmen. Der unerwartet nicht oder nicht mehr an der Kopfstütze angeleinte Hund sprang sofort aus dem Fahrzeug. Um zu verhindern, dass er auf die nahe gelegene, stark befahrene Straße lief, griff der Vater des Beklagten nach der Hundeleine und erreichte sie. Der Hund blieb trotz Befehls nicht stehen, sondern zog mit der Leine den Arm des Geschädigten ruckartig nach hinten. Dadurch kugelte sich der Vater des Beklagten das rechte Ellbogengelenk aus. Er war bis zum 01.01.1998 gänzlich arbeitsunfähig und befand sich in mehrfacher stationärer Behandlung. Während der ersten sechs Wochen nach dem Vorfall entrichtete ihm die Klägerin die Bruttobezüge fort und führte außerdem ihre Anteile zur Sozialversicherung ab. Die Zahlungen belaufen sich nach ihrer Behauptung auf insgesamt 32.639,62 DM.

Das Landgericht hat der auf Zahlung dieses Betrages gerichteten, sachlich-rechtlich auf § 833 BGB gestützten Klage – nach Beweisaufnahme zur Anspruchshöhe – in vollem Umfang stattgegeben. Mit der Berufung verfolgt der Beklagte, hinter dem eine Haftpflichtversicherung steht, sein Klageabweisungsbegehren weiter. Er bekämpft die Auffassung des Landgerichts, dass sich eine typische Tiergefahr verwirklicht habe, und bestreitet nach wie vor die Schadenshöhe. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

 

Entscheidungsgründe

Während die Berufung im Umfang der Hälfte des erstinstanzlich zuerkannten Betrages nebst Zinsen zur Abweisung der Klage führt, ist die Klage im Übrigen dem Grunde nach gerechtfertigt. Beides war durch Teil- und Grundurteil auszusprechen, §§ 303 Abs. 1, 304 Abs. 1 ZPO. Die Fortsetzung des Rechtsstreites im Betragsverfahren wird über den endgültigen Umfang des Erfolges des Rechtsmittels entscheiden.

I.

Dem Grunde nach kann die Klägerin vom Beklagten, der als Tierhalter haftet, aus übergegangenem Recht Ersatz des ihrem Prokuristen entstandenen Verdienstausfalles verlangen. Der (fiktive) Verdienstausfall für den Zeitraum, während dessen die Klägerin ihm das Gehalt fortgezahlt hat, steht noch nicht abschließend fest. Da sich der Geschädigte jedoch ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lassen muss, besteht der durch Entgeltfortzahlung auf die Klägerin übergegangene Anspruch allenfalls in Höhe von 16.319,81 DM.

1. Anspruchsgrundlage ist entgegen der – von den Parteien allerdings unbeanstandeten – Ansicht des Landgerichtes nicht isoliert § 833 BGB. Diese Vorschrift gibt lediglich dem durch ein Tier Verletzten einen Schadensersatzanspruch. Das ist im Streitfall ausschließlich der geschädigte Vater des Beklagten. Die Klägerin hat jedoch dessen Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten, soweit sie bestehen und auf Ersatz des Verdienstausfalls gerichtet sind, gemäß § 6 Abs. 1 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26.05.1994, BGBl. I, S. 1014, 1065) kraft Gesetzes erworben.

a) § 6 Abs. 1 EFZG entspricht § 4 Abs. 1 LFZG a.F., allerdings mit dem Unterschied, dass nunmehr auch die Schadensersatzansprüche von Angestellten, die von der früheren, auf Arbeiter zugeschnittenen ...

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