Leitsatz (amtlich)

1. Welche Bedeutung dem Anerkenntnis einer Unterhaltsverpflichtung in einer Jugendamtsurkunde zukommt, hängt entscheidend davon ab, wie der Gläubiger (oder dessen Vertreter) die Erklärung – auch unter Berücksichtigung ihm bekannter Begleitumstände – verstehen muss.

2. Da redlicherweise kein Unterhaltsgläubiger annehmen kann, der Unterhaltsschuldner wolle die Verpflichtung eingehen, unabhängig von künftigen Änderungen der für den Unterhaltsanspruch wesentlichen Umstände und unabhängig von der Richtigkeit der wesentlichen Vorstellungen, die er bei Eingehung der Verpflichtung hatte, sind die Regelungen des § 313 Abs. 1 und 2 BGB zumindest entspr. anwendbar.

3. Ist der Unterhaltsschuldner für den Gläubiger erkennbar der Auffassung, dass er den Einwand fehlender Leistungsfähigkeit noch nachträglich erheben könne, so kann der Unterhaltsschuldner diesen Einwand noch nach der Errichtung der Jugendamtsurkunde mit der Abänderungsklage geltend machen.

 

Normenkette

SGB VIII § 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 323, 655-656; BGB §§ 313, 603, 1612b Abs. 5

 

Verfahrensgang

AG Leipzig (Aktenzeichen 24 F 3443/01)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG – FamG – Leipzig vom 11.9.2002 abgeändert. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für folgenden Antrag bewilligt:

Die Unterhaltsverpflichtungen, die der Antragsteller ggü. den beiden Antragsgegnerinnen in den Urkunden übernommen hat, die vor dem Jugendamt der Stadt Leipzig am 2.12.1999, am 24.8.2000 und am 20.2.2001 errichtet wurden, werden dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller zu monatlichen Unterhaltszahlungen nur wie folgt verpflichtet bleibt:

a) für Juli 2001 bis einschließlich Dezember 2001 ggü. der Antragsgegnerin zu 1) zu 2)30 DM und ggü. der Antragsgegnerin zu 2) zu 170 DM,

b) für Januar 2002 ggü. der Antragsgegnerin zu 1) zu 119 Euro und ggü. der Antragsgegnerin zu 2) zu 86 Euro,

c) für Februar 2002 bis einschl. Mai 2002 ggü. beiden Antragsgegnerinnen zu je 103 Euro und

d) ab Juni 2002 ggü. beiden Antragsgegnerinnen zu je 90 Euro.

2. Zur Vertretung wird dem Antragsteller Rechtsanwalt …, …, beigeordnet.

3. Die weiter gehende Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

4. Von der Erhebung einer Gebühr für das Beschwerdeverfahren ist abzusehen.

5. Der Antrag der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2), ihnen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist der Vater der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2), für die der Antragsgegner zu 3) Unterhaltsvorschussleistungen erbracht hat und teilweise noch erbringt. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er eine Abänderung der durch mehrere Jugendamtsurkunden titulierten Unterhaltsverpflichtungen ab Januar 2001 auf Null erreichen will. Mit seiner Beschwerde wendet er sich dagegen, dass das FamG seinen Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen hat.

Im Einzelnen:

Der am 23.4.1971 geborene Antragsteller ist indischer Staatsangehöriger und lebt seit 1992 in der Bundesrepublik Deutschland. Ein zunächst begonnenes Studium der Volkswirtschaftslehre hat er abgebrochen. Er hat eine Arbeitserlaubnis als Dolmetscher und Übersetzer. Im Übrigen studierte er an der Universität Leipzig Philosophie und Theaterwissenschaften und ist auch als freier Künstler in den Bereichen Theater und Film tätig.

Die Antragsgegnerin zu 1) ist am 8.3.1994, die Antragsgegnerin zu 2) am … geboren. Mit deren Mutter und gesetzlichen Vertreterin lebte der Antragsteller einige Jahre zusammen.

Zunächst verpflichtete er sich in zwei Urkunden, die vor dem Jugendamt der Stadt Leipzig am 2.12.1999 errichtet wurden, ab 1.1.2000 für beide Kinder jeweils eine monatliche Unterhaltsrente von 200 DM zu leisten. Diesen Verpflichtungen ist er bis einschl. Mai 2002 nachgekommen.

Am 24.8.2000 unterzeichnete er beim Jugendamt weitere Urkunden, in denen er sich ggü. den Antragsgegnerinnen zu 1) und 2), jeweils ab 1.9.2000 zur Zahlung von 100 % des Regelbetrages nach § 2 Regelbetrag-VO jeweils abzgl. des hälftigen Kindergeldes verpflichtete.

Am 18.1.2001 beantragte die Mutter der Antragsgegnerinnen die Abänderung dieser Unterhaltstitel dahingehend, dass ab Januar 2001 vom Antragsteller jeweils der Regelbetrag ohne Anrechnung des Kindergeldes geleistet werden solle (Verfahren 29 FH 226 und 227/01 AG Leipzig). Diese Verfahren erklärten die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) für erledigt, nachdem der Antragsteller am 20.2.2001 vor dem Jugendamt Verpflichtungserklärungen unterzeichnet hatte, und zwar dahingehend, dass er an die Antragsgegnerin zu 1) für Januar bis einschl. Juni 2001 392 DM, für die Antragsgegnerin zu 2) für den gleichen Zeitraum je 303 DM und ab 1.7.2001 für beide Antragsgegnerinnen jeweils 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe bei Anrechnung des Kindergeldes entspr. § 1612b Abs. 5 BGB zahle.

Eine Herabsetzung der titulierten Unterhaltsverpflichtungen auf Null strebt der Antragsteller mit der Begründung an, dass er, wie sc...

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