Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehezeitlich erworbene "Entgeltpunkte für langjährige Versicherung" stellen gesondert im Versorgungsausgleich zu betrachtende Anrechte dar

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der gesetzlichen Neuregelung des § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI im sog. "Grundrentengesetz" sind in der Ehezeit erworbene Anrechte in Gestalt von "Entgeltpunkten für langjährige Versicherung" als gesonderte Anrechte neben anderen Anrechten aus dem System der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Folge zu betrachten, dass eine Zusammenrechnung nicht erfolgen darf.

2. Für ein so ermitteltes Anrecht sind bei der Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG die Kriterien zur Betrachtung gleichartiger Versorgungen im Sinne des § 10 Abs. 2 VersAusglG zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes zu beachten.

3. Eine Befassung des Gerichts mit den "Entgeltpunkten für langjährige Versicherung" wirkt verfahrenswerterhöhend im Sinne des § 50 Abs. 1 FamGKG.

 

Normenkette

FamGKG § 50 Abs. 1, § 55 Abs. 3 Nr. 2; SGB VI § 120f Abs. 2 Nr. 3; VersAusglG § 10 Abs. 2, § 18 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Osterode (Aktenzeichen 1 F 94/21)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Osterode am Harz vom 31. März 2022 in Ziffer II., dritter Absatz, des Tenors wie folgt geändert:

Zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungsnummer ...) wird im Wege der internen Teilung zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 1,0061 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover (Versicherungsnummer ...), bezogen auf den 31.05.2021, übertragen.

Zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungsnummer ...) wird im Wege der internen Teilung zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 0,1209 Entgeltpunkten für langjährige Versicherung auf dessen Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover (Versicherungsnummer ...), bezogen auf den 31.05.2021, übertragen.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; die Beteiligten haben ihre außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren selbst zu tragen.

3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.950,00 EUR festgesetzt.

4. Der Wert für das erstinstanzliche Verfahren wird von Amts wegen auf 13.650,00 EUR geändert.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht - Familiengericht - Osterode am Harz hat im angefochtenen Beschluss vom 31.03.2022 im Rahmen der Ehescheidung auf der Basis zuvor eingeholter Auskünfte auch den Versorgungsausgleich geregelt.

Demnach verfügt der Ehemann neben einem Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung auch über ein solches aus einer privaten Altersvorsorge. Die diesbezüglichen Feststellungen und die Entscheidung des Amtsgerichts sind nicht angegriffen und daher nicht Gegenstand der Beschwerde.

Die Ehefrau verfügt über Anrechte nur in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der zuständige Versorgungsträger, die beschwerdeführende Beteiligte zu 1., hat in der Auskunft vom 28.02.2022 einen Ehezeitanteil der Ehefrau von 2,0121 Entgeltpunkten mitgeteilt und einen Ausgleichswert von 1,0061 Entgeltpunkten vorgeschlagen. Ferner besteht nach dieser Auskunft ein ehezeitlicher "Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung" in Höhe von 0,2418 Entgeltpunkten, von denen nach dem Vorschlag 0,1209 Entgeltpunkte zum Ausgleich gebracht werden sollen.

Das Amtsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die letztgenannten beiden Anrechte addiert und, rechnerisch zutreffend, einen Ehezeitanteil von insgesamt 2,2539 Entgeltpunkten dem vorgenommenen Ausgleich von 1,1270 Entgeltpunkten zugrunde gelegt.

Gegen diese Entscheidung richtet die Beteiligte zu 1. ihre Beschwerde vom 22.04.2022 mit der Begründung, dass eine derartige Addition infolge der Besonderheit der Entgeltpunkteart für "langjährige Versicherung", die wegen § 97a SGB VI einer Einkommensanrechnung unterliege, nicht erfolgen dürfe. Zwar seien die Entgeltpunkte beider Arten gleichwertig, jedoch ordne auch § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI die getrennte Regelung beider Entgeltpunktearten an.

Zum Hintergrund dieser seit 01.01.2021 gültigen Regelung ist auszuführen, dass die Entgeltpunkte für "langjährige Versicherung" aus der Einführung der sog. Grundrente herrühren. Daher werden diese auch als "Grundrentenentgeltpunkte" bezeichnet (vgl. allgemein zum Grundrentengesetz: Dünn/Bilgen/Heckenberger, DRV 2020, 325).

Der Senat hat den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Stellungnahmen sind nicht eingegangen.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1. ist zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin beschwerdebefugt, § 59 Abs. 1 FamFG, weil die angefochtene Entscheidung sie in ihren Rechten beeinträchtigt.

Versorgungsträger haben neben ihren eigenen finanziellen Belangen auch die Gesetzmäßigkeit der Festlegung zukünftig von ihnen zu erbringender V...

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