Leitsatz (amtlich)

Widerruf der Approbation als Arzt wegen Abrechnungsbetruges über einen Zeitraum von fünf Jahren und einer Schadenssumme von mehr als 100.000 EUR

 

Normenkette

BÄO § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

VG Hannover (Urteil vom 26.06.2013)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover – 5. Kammer – vom 26. Juni 2013 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungszulassungsverfahrens wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Rz. 1

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt.

Rz. 2

Auf einen anonymen Hinweis überprüfte die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen – Beauftragter zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen – im Jahr 2009 die Abrechnungen des Klägers und stellte eine ansteigende, die Werte der Vergleichsgruppe erheblich überschreitende Abrechnungsfrequenz der unvorhergesehenen Inanspruchnahmen und der dringenden Besuche (Gebührenordnungspositionen – GOP – 01100, 01101, 01411 und 03001 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes im Sinne des § 87 SGB V) fest. Die weiter von der AOK Niedersachsen durchgeführte stichprobenartige Befragung von fünfzehn Patienten des Klägers ergab, dass die in den Jahren 2007 und 2008 abgerechneten Leistungen der GOP 01100, 01101, 01102, 01411 und 01412 tatsächlich nicht erbracht worden waren.

Rz. 3

In dem nachfolgend von der Staatsanwaltschaft B. C. eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges zum Nachteil der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen – 321 Js 39513/09 – ließ sich der Kläger über seinen Verteidiger mit Schriftsätzen vom 29. Juni 2010 und 14. Februar 2011 zur Sache ein. Er – der Kläger – habe von 2005 bis 2009 Leistungen der GOP 01100, 01101 und 01411 teilweise falsch abgerechnet. Anfangs habe er erst Tage nach einer Behandlung oder zum Quartalsende die Leistungen nachgetragen und dabei teilweise Schätzungen vorgenommen. Nachdem diese nicht beanstandet worden seien, habe er in vielen Fällen eine Behandlung als Notfall deklariert und die Notfallziffern abgerechnet. Nach einer überschlägigen Rückschau mit gewissen, zu seinen Ungunsten berücksichtigten Schätzungsunschärfen seien, anders als die Befragung durch die AOK vermuten lasse, etwa 40 bis 50 % der in den Jahren 2005 bis 2009 abgerechneten Leistungen nach den GOP 01100, 01101 und 01411 zu Unrecht erfolgt. Ausgehend von einem Abrechnungsvolumen in Höhe von 107.026,43 EUR ergäbe sich danach ein Schaden zwischen 42.810,57 und 53.513,22 EUR. Auslöser seines Fehlverhaltens sei eine wirtschaftlich angespannte Lage gewesen. Er habe sich mit dem Kauf mehrerer Mietshäuser übernommen und bei einem Pkw-Kauf durch einen betrügerischen Vermittler einen Verlust von etwa 60.000 EUR erlitten. Hinzugekommen seien die Scheidung von seiner Ehefrau, die bis dahin die Buchführung der Praxis betraute, und die von ihm allein übernommene Betreuung des gemeinsamen Kindes.

Rz. 4

Das Amtsgericht D. E. verhängte mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 25. März 2011 – F. – gegen den Kläger wegen Betruges in elf Fällen eine Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen. Er habe bei den elf Quartalsabrechnungen im Zeitraum vom 2. Quartal 2007 bis zum 4. Quartal 2009 als Arzt gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen wissentlich zu Unrecht eigennützig Leistungen nach der GOP 01411 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes abgerechnet und vergütet erhalten. Die wissentlich zu Unrecht erhaltene Vergütung betrage nach der durchgeführten Patientenbefragung jedenfalls mindestens 1.897,17 EUR, hochgerechnet auf den gesamten Abrechnungsbetrag der Gebührenordnungsposition bei einer Fehlerquote von 45 % insgesamt mindestens rund 25.500 EUR. Die Strafverfolgung wurde auf diese Taten nach §§ 154, 154a StPO beschränkt.

Rz. 5

Nach Anhörung widerrief der Beklagte mit Bescheid vom 10. Februar 2012 die dem Kläger erteilte Approbation zur Ausübung des ärztlichen Berufs und forderte diesen auf, nach Bestandskraft des Bescheides die Approbationsurkunde herauszugeben. Zur Begründung führte er an, der Kläger habe sich als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen. Die ihm nachgewiesenen Straftaten stünden im engeren Zusammenhang mit der ärztlichen Berufsausübung und seien geeignet, das zur Ausübung des ärztlichen Berufs erforderliche Vertrauen und Ansehen nachhaltig zu stören. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung sei eine wesentliche Berufspflicht, gegen die der Kläger über einen Zeitraum von mehreren Jahren in einer Vielzahl von Fällen wissentlich verstoßen habe. Ausgehend von einem Gesamtschaden von 25.500 EUR und einer durchschnittlichen Vergütung von 40 EUR habe der Kläger die GOP 01411 in mehr als 600 Einzelfällen zu Unrecht abgerechnet, um sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Der Approbationswiderruf greife nicht unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit des Klägers ein; mildere, zur Zweckerreichung gleich geeignete M...

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