Rz. 22

Bei einer Kürzungsvereinbarung im Arbeitsvertrag ist darauf zu achten, welchen Normcharakter die der Sondervergütung zugrunde liegende Anspruchsgrundlage hat.

Handelt es sich z. B. um einen Anspruch aus einem Tarifvertrag, kann dieser aufgrund des Günstigkeitsprinzips sowie der Unabdingbarkeit tariflicher Ansprüche (§ 4 Abs. 3 TVG) nicht durch eine bloße einzelvertragliche Kürzungsvereinbarung geschmälert oder ausgeschlossen werden.[1] Erforderlich ist hier vielmehr eine tarifliche Kürzungsregelung, jedenfalls aber eine tarifliche Öffnungsklausel, die den Arbeitsvertrags- oder Betriebsparteien Kürzungsmöglichkeiten überlässt. Sofern der Tarifvertrag nur noch nachwirkt (§ 4 Abs. 5 TVG) ist eine einzelvertragliche Kürzungsregelung bzw. eine solche in einer Betriebsvereinbarung möglich. Im Verhältnis zwischen tariflichem Sondervergütungsanspruch und Kürzungsvereinbarung in einer Betriebsvereinbarung ist jedoch immer die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG zu beachten.

 

Rz. 23

Etwas anderes gilt dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien nicht – jedenfalls nicht beiderseits – tarifgebunden sind und den Tarifvertrag lediglich durch eine vertragliche Verweisungsklausel zur Grundlage ihrer vertraglichen Beziehungen machen. Sie können dann immer eine einzelvertragliche Kürzungsvereinbarung treffen, die nicht in dem in Bezug genommenen Tarifvertrag enthalten ist.

Ähnliches wie bei beiderseitiger Tarifbindung und einem Anspruch aus Tarifvertrag gilt hinsichtlich einer Betriebsvereinbarung: Sieht diese die Zahlung einer Sondervergütung vor, muss auch hier gleichzeitig die Kürzungsvereinbarung geregelt sein. Sie kann nicht im Arbeitsvertrag erfolgen (§ 77 Abs. 4 BetrVG).

Handelt es sich dagegen um einen einzelvertraglich vereinbarten Anspruch auf Sondervergütung, ist eine Kürzungsvereinbarung im Arbeitsvertrag möglich. Diese muss aber die Grenze des § 4a Satz 2 EFZG einhalten.

 

Rz. 24

Die Kürzungsvereinbarung bedarf mangels gesetzlicher Regelung im Arbeitsvertrag keiner Schriftform. Entsteht deshalb im Rahmen einer betrieblichen Übung ein Anspruch auf eine Sondervergütung, hat der Arbeitgeber diese aber von Anfang an für die Arbeitnehmer ersichtlich unter einen nach § 4a EFZG zulässigen Kürzungsvorbehalt gestellt, muss sich ein Arbeitnehmer im Falle seiner Erkrankung eine entsprechende Kürzung gefallen lassen.[2]

[1] Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung-Krankengeld-Mutterschaftsgeld, Stand April 2020, § 4a EFZG, Rz. 12; Wedde/Kunz, EFZG, 4. Aufl., § 4a, Rz. 12.
[2] Wedde/Kunz, EFZG, § 4a, Rz. 16; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 26.3.2010, 6 Sa 723/09.

Zu beachten ist allerdings § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG: Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgeltes einschließlich der Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgeltes und deren Fälligkeit schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Eine nicht schriftlich vereinbarte Kürzungsmöglichkeit ist daher regelmäßig kaum beweisbar (vgl. Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, EFZG, 5. Aufl. 2022, § 4a, Rz. 8).

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