Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung. zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze. Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Feststellung einer Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze ist gemäß § 15 Abs 1 S 1 SGB IV als Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit zugrunde zu legen. Nach dem Einkommensteuerrecht wird der Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit regelmäßig jährlich ermittelt. Soweit nur ein Jahreseinkommen festgestellt werden kann bzw festgestellt worden ist, kann nur ein - durchschnittliches - monatliches Einkommen ermittelt werden, indem das Jahreseinkommen durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, geteilt wird.

2. Der Rentenversicherungsträger und die Sozialgerichte sind an die auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts getroffenen Entscheidungen gebunden. Dies gilt auch für die persönliche Zuordnung des Arbeitseinkommens bei zusammen veranlagten Ehegatten.

3. Die auch Selbstständigen grundsätzlich eingeräumte Möglichkeit des zweimaligen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze besteht nicht, wenn sie nur über ein jährlich feststellbares Arbeitseinkommen verfügen. Ein privilegiertes Überschreiten ist jedoch nur dann möglich, wenn der Selbstständige seine monatlichen Einkünfte nachweist, denn nur dann können diese der maßgeblichen monatlichen Hinzuverdienstgrenze gegenübergestellt werden.

 

Orientierungssatz

Gestützt auf § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 ist eine rückwirkende Aufhebung eines Altersrentenbescheids wegen Einkommenserzielung (nur) in Höhe des die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden Teils des Arbeitsentgelts möglich und die Höhe der Rückforderung mithin auf die Höhe des Mehrverdienstes beschränkt (vgl BSG vom 26.6.2008 - B 13 R 119/07 R = BSGE 101, 97 = SozR 4-2600 § 34 Nr 2).

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 28. August 2015 wird geändert. Der Bescheid vom 9. April 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2013 wird gemäß dem Teilanerkenntnis der Beklagten vom 22. Mai 2017 insoweit abgeändert, als der vom Kläger zu erstattende Betrag 145,78 EUR beträgt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu neun Zehnteln in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob und in welchem Umfang die Beklagte vom Kläger die Erstattung von im Jahr 2011 gezahlter Altersrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) gemäß § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) verlangen kann.

Die Beklagte bewilligte dem am ... 1947 geborenen Kläger aufgrund seines Rentenantrages vom 8. Oktober 2008 ab dem 1. Januar 2009 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit als Vollrente (Bescheid vom 21. November 2008). Der Nettozahlbetrag betrug zunächst 313,28 EUR. Der Kläger gab an, eine selbstständige Tätigkeit als freiberuflicher Musiker auszuüben und übersandte nachfolgend die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2010. Am 10. Januar 2013 übersandte der Kläger die Seite 1 des an ihn und seine Ehefrau gerichteten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2011 vom 4. Januar 2013. Danach erzielten der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 5.046,00 EUR und die Ehefrau keinerlei Einkünfte. Auf die Aufforderung der Beklagten, die betriebswirtschaftlichen Auswertungen für die Monate Januar bis Dezember 2011 (monatliche Aufstellung) zu übermitteln, teilte der Kläger telefonisch mit, monatliche Auswertungen nicht zusenden zu können. Im Übrigen sei er der Auffassung, das erzielte Einkommen in Höhe von 5.046,00 EUR sei durch 14 Monate zu dividieren, da er zweimal im Jahr bis zum doppelten Betrag der Hinzuverdienstgrenze in Höhe von 400,00 EUR hinzuverdienen dürfe.

Nach Anhörung mit Schreiben vom 18. März 2013 hob die Beklagte mit Bescheid vom 9. April 2013 den Bescheid vom 21. November 2008 für die Zeit ab dem 1. März 2011 teilweise auf und stellte eine Überzahlung für die Zeit vom 1. März bis zum 31. Dezember 2011 in Höhe von 1.051,58 EUR fest. Die Aufhebung für die Vergangenheit sei zulässig, da die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vorlägen. Der überzahlte Betrag sei gemäß § 50 SGB X zu erstatten. Die (teilweise) Aufhebung des Bescheides habe zur Folge, dass die Rente ab dem 1. März 2011 als Teilrente in Höhe von zwei Dritteln der Vollrente zu zahlen sei. Ab dem 1. Januar 2012 werde die Rente wieder als Vollrente gezahlt, da von einem Einkommen in Höhe von 400,00 EUR monatlich ausgegangen werde. Der (Alters-)Rentenbescheid entspreche nicht mehr der Rechtslage. Er sei durch eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen rechtswidrig geworden. Der Hinzuverdienst im Jahr 2011 überschreite mit monatlich 420,50 EUR die Hi...

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