Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Erfolg des Widerspruchs. Kostenquote. formale Betrachtungsweise. Streitigkeit über SGB 2-Leistungen. Leistungsberechnung. Änderung einzelner Berechnungsposten ohne Auswirkung auf die Leistungshöhe

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 63 Abs 1 SGB X stellt eine in sich geschlossene Regelung der Kostenerstattung für sog isolierte Widerspruchsverfahren dar. Es handelt sich um ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, bei dem im Grundsatz rein formal auf das erfolgreiche Ergebnis abgestellt wird (Satz 1). Die zu bildende Kostenquote richtet sich nach dem Verhältnis des Erfolgs zum Misserfolg. Ein Widerspruch ist nur in dem Umfang erfolgreich, in dem ihm (abgeholfen oder) stattgegeben worden ist.

2. Geht es im Vorverfahren um die Bewilligung höherer SGB II-Leistungen, hat der Widerspruch nur in dem Umfang Erfolg, in dem weitere Leistungen bewilligt worden sind. Führt ein vom Widerspruchsführer geltend gemachter Berechnungsposten (hier: höhere Heizkosten) wegen einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der Sachlage (hier: Einkommenszufluss) nicht zu einem höheren Leistungsanspruch, hat der Widerspruch insoweit keinen Erfolg.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz 1 vgl BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 68/12 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 20.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 31. August 2020 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für ein sog. isoliertes Vorverfahren.

Die 1961 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte zu 1 (im Weiteren: Klägerin zu 1) und ihre im März 1998 geborene Tochter, die Klägerin und Berufungsbeklagte zu 2 (im Weiteren: Klägerin zu 2) bezogen von dem Beklagten und Berufungskläger (im Weiteren: Beklagter) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Bedarfsgemeinschaft.

Gemeinsam bewohnten sie ein schuldenfreies Eigenheim, für das monatliche Betriebskosten in wechselnder Höhe (zwischen 59 € und 134,20 €) sowie Vorauszahlungen für die Heizkosten von monatlich 221 € anfielen.

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerinnen bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 3. August 2016 vorläufige Leistungen für den Bewilligungszeitraum von September 2016 bis Februar 2017 von monatlich insgesamt 708,50 € für September und Oktober 2016, 791,70 € für November 2016 sowie 568 € für Dezember 2016 bis Februar 2017. Als Grund für die vorläufige Leistungsgewährung gab der Beklagte im Bescheid an, das Einkommen der Klägerin zu 1 aus selbstständiger Tätigkeit stehe noch nicht fest. Bei der Berechnung des Leistungsanspruchs berücksichtigte der Beklagte die Betriebskosten für das Eigenheim und anstelle der tatsächlichen Heizkostenvorauszahlungen einen abgesenkten Monatsbetrag von 89,50 €. Entsprechend der Angabe der Klägerin zu 1 in ihrer vorläufigen EKS rechnete er kein Erwerbseinkommen an. Bei der Berechnung für die Klägerin zu 2 berücksichtigte er Kindergeld von 190 €, das er um die Versicherungspauschale bereinigte. In den Monaten Dezember 2016 bis Januar 2017 berücksichtigte er keine Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH).

Dagegen legten die Klägerinnen am 22. August 2016 Widerspruch ausdrücklich „wegen der Heizkostensenkung“ ein. Im September 2016 führte ihre Prozessbevollmächtigte zur weiteren Begründung aus, die KdUH der Klägerinnen seien angemessen. Die Gesamtkosten seien so gering, dass ein Umzug unwirtschaftlich wäre. Daher seien die Heizkosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen.

Am 14. September 2016 nahm die Klägerin zu 1 eine Erwerbstätigkeit auf. Es handelte sich um eine mit einem Stundenlohn von 9 € vergütete, befristete Vollzeitbeschäftigung.

Mit Schreiben vom 29. September 2016 (Blatt 2036 VA, Band X) teilte der Beklagte den Klägerinnen mit, er werde bis zur endgültigen Klärung die Leistungsgewährung ab dem 1. November 2016 vorläufig einstellen, da das Erwerbseinkommen Einfluss auf die Höhe der Leistungen habe und der Leistungsanspruch sogar vollständig entfallen könne. Er bat um Vorlage der Einkommensbescheinigungen.

Aus der von der Klägerin im November 2016 vorgelegten Entgeltabrechnung für September 2016 ergab sich aus einem Bruttolohn von 936 € ein im Folgemonat ausgezahlter Betrag von 671,29 €. Nach der Entgeltabrechnung für Oktober 2016 führten Bruttobezüge von 1.512 € zu einem Auszahlungsbetrag von 1.146,63 €.

Mit Änderungsbescheid vom 24. November 2016 bewilligte der Beklagte unter „teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 3. August 2016“ im Hinblick auf die zunächst vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 7. Dezember 2016 für Januar 2017 wieder vorläufige Leistungen in einer Höhe von 418,56 €.

Am 7. Dezember 2016 vereinbarten die Klägerin zu 1 und ihr Arbeitgeber die unbefristete Fortsetzung des Arbeitsvertrags.

Mit Änderungsbescheid vom 21. Dezember 2016 erhöhte der Beklagte die bewilligten Leistungen au...

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