Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Gewaltopfer. Drohanrufe. kein tätlicher Angriff. keine Kraftentfaltung gegenüber einer Person. psychische Gewalt

 

Leitsatz (amtlich)

Handlungen, die nicht unmittelbar auf die körperliche Integrität abzielen (wie zB Telefonate) werden nicht durch das OEG erfasst. Insoweit fehlt es an einem tätlichen Angriff. Psychische Gewalt unterfällt nicht dem Schutzbereich des OEG.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.10.2018; Aktenzeichen B 9 V 27/18 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Die am ... 1977 geborene Klägerin beantragte am 3. Februar 2009 die Gewährung von Beschädigtenversorgung, weil sie als Mitarbeiterin im Straßenverkehrsamt G. im Oktober 2008 durch Ereignisse in diesem Amt einen psychischen Schaden erlitten habe. Als Folge leide sie unter Angstzuständen und befürchte negative Auswirkungen auf ihr ungeborenes Kind. Sie sei zum Tatzeitpunkt im 4./5. Monat schwanger gewesen.

Aus den vom Beklagten beigezogenen Ermittlungsakten ergibt sich, dass am 17. Oktober 2008 in der Zeit zwischen 7:30 Uhr und 8:10 Uhr ein unbekannter Täter in der öffentlichen Toilette des Straßenverkehrsamtes einen Brand gelegt hatte. Zum Brandverlauf wurde ausgeführt, dass im Herrentoilettenbereich die Trennwand von Sitzbereich und Pissoir beidseitig schwarze Rußanhaftungen aufgewiesen habe. Außerdem hätten sich am Fußboden Reste von vermutlich verbranntem Papier befunden. Eine Gebäudeabsuche nach Brand- und Sprengsätzen sei negativ verlaufen. Am Montag, den 20. Oktober 2008, habe eine Mitarbeiterin des sich im Gebäude des Straßenverkehrsamtes befindlichen Schilderherstellers einen Anruf mit folgenden Inhalt entgegengenommen: "Für Frau L ..., Feuer, wenn die Forderung nicht gilt, dann innerhalb von 5 Minuten". Die erneute Durchsuchung des Gebäudekomplexes sei wiederum erfolglos geblieben.

Gegenüber der Polizeiinspektion G. hatte die Klägerin am 27. Oktober 2008 erklärt: Nachdem der Rauch auf der Herrenbesuchertoilette bereits bemerkt worden war, habe sie einen Anruf in der Zulassungsstelle entgegengenommen. Dort habe ihr ein unbekannter Anrufer gesagt, dass noch zwei Bomben und weitere Brandsätze versteckt seien. Darauf habe sie nichts mehr gesagt und der Anrufer habe aufgelegt. Das Telefonat sei vielleicht zehn bis 15 Sekunden lang gewesen. Sie sei über diesen Anruf sehr erschrocken gewesen, sei aufgesprungen und habe den Kollegen ziemlich laut gesagt: "Wir haben eine Bombendrohung, wir müssen hier raus". Sie habe dann das Gebäude verlassen. Am darauf folgenden Montag habe eine Mitarbeiterin des Schilderdienstes zu ihr gesagt, dass sie das Gebäude verlassen müsse, weil sie soeben eine Bombendrohung erhalten habe. Sie habe das gleiche gemacht wie am Freitag. Sie sei in die Führerscheinstelle und die anderen Büros gerannt und habe dort Bescheid gesagt: "Bombendrohung, wir müssen raus". Sie könne sich überhaupt nicht vorstellen, dass ihr persönlich jemand einen sehr üblen Streich habe spielen wollen. Dagegen spreche auch, dass der Anrufer am Freitag per Telesekretär zu ihr durchgestellt worden und dann eine zufällige Anwahl des Apparates erfolgt sei. Sie sei aktuell wegen dieser Ereignisse krankgeschrieben. Sie sei zurzeit schwanger und habe kürzlich eine Fehlgeburt erlitten. Das alles bedeute für sie einen hochgradigen Stress.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2010 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG ab, weil kein Angriff im Sinne des OEG vorgelegen habe. Ein unmittelbares Ansetzen zu einer zielgerichteten Gewaltanwendung sei nicht erfolgt. Nach Auswertung der staatsanwaltschaftlichen Unterlagen habe weder ein direkter Angriff auf die Klägerin noch eine direkte Bedrohung vorgelegen. Die telefonischen Drohungen seien allgemein gegen die Behörde und nicht gegen sie persönlich gerichtet gewesen. Das erste Gespräch mit dem Täter sei durch Telesekretär zufällig vermittelt worden. Zwar sei nachvollziehbar, dass die Gesamtsituation im Nachhinein für sie bedrohlich gewirkt und Ängste hervorgerufen habe. Ein Versorgungsanspruch werde dadurch aber nicht begründet.

Am 15. Februar 2010 legte die Klägerin Widerspruch ein und führte aus: Sie sei Opfer massiver Straftaten geworden. Diese seien als tätliche Angriffe anzusehen, da sie psychisch ganz erheblich unter diesen leide. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2010 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 25. März 2010 Klage beim Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben und ergänzend vorgetragen: Sie sei massivsten Drohungen ausgesetzt gewesen, die sie psychisch stark belastet hätten. Sie habe eine erneute Fehlgeburt befürchten müssen. Es habe ein unmittelbares Ansetzen einer zielgerichteten Gewaltanwendung gegen ihre Person vorgelegen. Zwar sei der erste Drohanruf nur zufällig durch sie angenommen w...

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