Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente. Ermessensausübung. Nichtvorliegen von Unbilligkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente ist rechtmäßig, wenn Gründe nach der abschließenden Unbilligkeitsverordnung nicht entgegen stehen und das Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt worden ist.

2. Gründe, die im Rahmen einer Ermessensausübung im Einzelnen zu berücksichtigen sind, müssen bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens vorgetragen oder für die Behörde nach Lage der Akten ersichtlich sein.

3. Wenn die vorzeitig in Anspruch zu nehmende Altersrente die bewilligten SGB 2-Leisungen voraussichtlich deutlich übersteigt, liegt darin kein besonderer im Rahmen der Ermessensausübung zugunsten des Leistungsberechtigten zu berücksichtigender Umstand.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 54 Abs. 2 S. 2; SGB II § 12a Sätze 1, 2 Nr. 1, § 5 Abs. 3 S. 1, § 3 Abs. 3 S. 1, § 2 Abs. 1-2, § 13 Abs. 2; UnbilligkeitsV §§ 2-5

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Juni 2015 aufgehoben, soweit die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. Mai 2015 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2015 angeordnet und dieser verpflichtet worden ist, den bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See für den Antragsteller am 7. April 2015 gestellten Rentenantrag zurückzunehmen.

Der Antragsgegner hat 1/4 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für beide Rechtszüge zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antrags- und Beschwerdegegner wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. In der Sache geht es - noch - um die Aufforderung des Antragsstellers und Beschwerdegegners zur Beantragung einer vorzeitigen Rente wegen Alters nach § 12a Satz 2 Nr. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) und die Rentenantragstellung für den Antragsteller gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II.

Der am ... 1951 geborene Antragsteller bezieht laufende Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsgegner bewilligte ihm mit Bescheid vom 22. Januar 2015 vorläufige Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2015 i.H.v. 398,57 EUR/Monat. Mit Bescheid vom 27. Juli 2015 hat er Leistungen für August 2015 i.H.v. 398,38 EUR bewilligt. Aufgrund der abzuwartenden Rentenantragstellung und des laufenden Rentenverfahrens erfolge eine verkürzte Bewilligung nur für August 2015.

Nach den Rentenauskünften der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See vom 15. Mai 2012 und 15. November 2013 würde die ab 1. Juni 2017 zustehende Regelaltersrente 812,17 EUR/Monat bzw. bei einem jährlichen Anpassungssatz von 1 % etwa 830 EUR/Monat betragen. Bei vorzeitiger Inanspruchnahme ab dem frühestmöglichen Rentenbeginn am 1. Januar 2015 werde die Rente um 8,7 % gemindert.

Der Antragsteller ist bei den G. O. GmbH seit dem 3. November 2014 unregelmäßig geringfügig beschäftigt. Im März 2015 erzielte er kein Einkommen, im April 2015 einen Nettolohn von 113,90 EUR bei 15 Arbeitsstunden.

Der Antragsgegner hatte den Antragsteller bereits mit Schreiben vom 20. August 2014 gemäß § 12a SGB II aufgefordert, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen. Dieser hatte daraufhin am 13. Januar 2015 einen Rentenantrag gestellt, aber mit Schreiben vom 28. Januar 2015 wieder zurückgenommen. Insoweit sind nach Angaben des Antragstellers beim Sozialgericht Magdeburg zwei Klagen anhängig (S 14 AS 3513/14 und S 14 AS 3541 5014).

Unter dem 17. März 2015 wurde der Antragsteller erneut gefordert, eine vorzeitige Altersrente ab dem 1. Januar 2015 zu beantragen und dies bis zum 31. März 2015 nachzuweisen. Der Antragsteller habe am ... 2014 das 63. Lebensjahr vollendet. Insoweit sei er verpflichtet, einen vorzeitigen Rentenantrag zu stellen. Gründe für die Unbilligkeit der Antragstellung seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Nach Abwägung seines Interesses am fortlaufenden Bezug von ALG II bis zum Erreichen des Regelrentenalters und dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung bzw. Verringerung der Hilfebedürftigkeit sei der Antragsgegner zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aufforderung zur Rentenantragstellung verhältnismäßig sei. Gleichzeitig wurde der Antragsteller aufgefordert, u.a. eine aktuelle Rentenauskunft vorzulegen. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein; eine Rentenauskunft legte er nicht vor. Einen Rentenantrag stellte er nicht.

Der Antragsgegner stellte daraufhin unter dem 7. April 2015 bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See einen Antrag auf Altersrente für den Antragsteller nach § 5 Abs. 3 SGB II. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde der Antragsteller aufgefordert, beigefügte Antragsformulare des Rentenversicherungsträgers bis spätestens 21. April 2015 vollständig auszufüllen und einzureichen. A...

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