Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung im vertragsärztlichen Bereich. Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Prüfgremien über die Bildung einer Vergleichsgruppe bei fehlender Vergleichbarkeit. Praxisbesonderheit. keine Prüfung der Unterdurchschnittlichkeit des Umfangs des Behandlungsscheinaufkommens im Vergleich zur Vergleichsgruppe durch den Beschwerdeausschuss

 

Orientierungssatz

1. Die Entscheidung der Prüfgremien für die Heranziehung einer bestimmten Vergleichsgruppe ist nur dann rechtswidrig, wenn die maßgebenden Leistungsbedingungen des zu prüfenden Arztes und der gewählten Gruppe so verschieden sind, dass von vornherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit einer Leistung oder eines Leistungskomplexes zu erwarten sind (vgl BSG vom 14.12.2005 - B 6 KA 4/05 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 12 = juris RdNr 16). Der Beschwerdeausschuss ist insbesondere nicht verpflichtet, bei der Bildung der Vergleichsgruppe zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang das Behandlungsscheinaufkommen der Praxis im Vergleich zur Vergleichsgruppe unterdurchschnittlich ist. Dieser Gesichtspunkt kann allenfalls im Rahmen der Prüfung kompensierender Einsparungen von Bedeutung sein.

2. Praxisbesonderheiten sind aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.03.2012; Aktenzeichen B 6 KA 17/11 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30.09.2009 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt 8/9, der Beklagte 1/9 der Kosten beider Rechtszüge. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen von dem Beklagten angeordnete Heilmittelregresse für die Quartale 1/2002 bis 4/2003 in Höhe von 28.078,69 €. Bezüglich des Quartals 4/2001, das ursprünglich auch Gegenstand des Verfahrens war, hat die Beklagte den ergänzenden Bescheid aufgehoben; die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

Die klagende Gemeinschaftspraxis besteht aus der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr H und dem Praktischen Arzt mit der Gebietsarztanerkennung als Chirurg Dr H, die zur vertragsärztlichen Versorgung im Bereich der Beigeladenen zu 1 zugelassen sind. In den streitgegenständlichen Quartalen lag ein unterdurchschnittliches Behandlungsscheinaufkommen gegenüber der Fachgruppe vor (33 % bis 39 %), der Rentneranteil war - mit Ausnahme der Quartale 4/2001 und 2/2002 gegenüber der Fachgruppe erhöht (33 % bis 39 %). Bei der Verordnung von Heilmitteln stellte sich der statistische Vergleich wie folgt dar:

1/2002

Versicherten-Gruppe

Veranlasste Physikalische Therapie

Arzt

€/Fall

Veranlasste Physikalische Therapie

Fachgruppe

€/Fall

Abweichung

%

Mitglieder

26,97 

 9,01 

+ 199 

Familienversicherte

17,98 

 5,60 

+ 221 

Rentner

62,33 

17,58 

+ 255 

Gesamt

35,58 

10,80 

+ 229 

Nach Gewichtung des Rentneranteils

10,85 

+ 228 

2/2002

Versicherten-Gruppe

Veranlasste Physikalische Therapie

Arzt

€/Fall

Veranlasste Physikalische Therapie

Fachgruppe

€/Fall

Abweichung

%

Mitglieder

21,26 

 8,11 

+ 162 

Familienversicherte

17,31 

 5,24 

+ 230 

Rentner

47,15 

17,06 

+ 176 

Gesamt

29,39 

10,50 

+ 180 

Nach Gewichtung des Rentneranteils

10,64 

+ 176 

3/2002

Versicherten-Gruppe

Veranlasste Physikalische Therapie

Arzt

€/Fall

Veranlasste Physikalische Therapie

Fachgruppe

€/Fall

Abweichung

%

Mitglieder

17,33 

 7,80 

+ 122 

Familienversicherte

14,58 

 4,29 

+ 240 

Rentner

38,95 

16,03 

+ 143 

Gesamt

25,46 

10,00 

+ 155 

Nach Gewichtung des Rentneranteils

10,47 

+ 143 

4/2002

Versicherten-Gruppe

Veranlasste Physikalische Therapie

Arzt

€/Fall

Veranlasste Physikalische Therapie

Fachgruppe

€/Fall

Abweichung

%

Mitglieder

24,04 

 7,52 

+ 220 

Familienversicherte

17,87 

 3,89 

+ 359 

Rentner

42,93 

14,86 

+ 189 

Gesamt

30,25 

 9,30 

+ 225 

Nach Gewichtung des Rentneranteils

 9,71 

+ 212 

1/2003

Versicherten-Gruppe

Veranlasste Physikalische Therapie

Arzt

€/Fall

Veranlasste Physikalische Therapie

Fachgruppe

€/Fall

Abweichung

%

Mitglieder

25,10 

 7,54 

+ 233 

Familienversicherte

21,49 

 3,72 

+ 478 

Rentner

45,49 

16,81 

+ 171 

Gesamt

31,91 

 9,73 

+ 228 

Nach Gewichtung des Rentneranteils

10,21 

+ 213 

2/2003

Versicherten-Gruppe

Veranlasste Physikalische Therapie

Arzt

€/Fall

Veranlasste Physikalische Therapie

Fachgruppe

€/Fall

Abweichung

%

Mitglieder

18,39 

 7,33 

+ 151 

Familienversicherte

17,30 

 4,25 

+ 307 

Rentner

41,19 

16,18 

+ 155 

Gesamt

27,38 

 9,88 

+ 177 

Nach Gewichtung des Rentneranteils

10,34 

+ 165 

3/2003

Versicherten-Gruppe

Veranlasste Physikalische Therapie

Arzt

€/Fall

Veranlasste Physikalische Therapie

Fachgruppe

€/Fall

Abweichung

%

Mitglieder

22,16 

 6,74 

+ 229 

Familienversicherte

16,23 

 3,67 

+ 342 

Rentner

39,35 

15,28 

+ 158 

Gesamt

28,65 

 9,23 

+ 210 

Nach Gewichtung des Rent...

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