Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Ruhen wegen Entlassungsentschädigung. fiktive Bemessung wegen Mutterschutz- und Erziehungszeiten. Erweiterung des Bemessungszeitraums und -rahmens. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschrift des § 143a Abs 1 SGB 3 über das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Zahlung einer Abfindung und Nichteinhaltung der Kündigungsfrist geht in typisierender Wertung davon aus, dass jede Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung, die im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, in einem bestimmten Umfang eine Entschädigung für ausgefallenes Arbeitsentgelt enthält. Der Doppelbezug der Leistungen wird unwiderlegbar vermutet, solange das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wird. Dabei kommt es nur auf die objektive Rechtslage an und nicht auf subjektive Vorstellungen des Arbeitnehmers oder der Vertragspartien (vgl BSG vom 25.10.1989 - 7 RAr 108/88 = SozR 4100 § 117 Nr 26 und vom 21.9.1995 - 11 RAr 41/95 = BSGE 76, 294 = SozR 3-4100 § 117 Nr 12).

2. Die unwiderlegbare Vermutung des § 143a Abs 1 SGB 3 greift daher auch, wenn die Arbeitnehmerin meint, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist mit Ablauf der Elternzeit dürfe nicht das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs zur Folge haben, weil der Arbeitgeber ihr während der Elternzeit nicht habe kündigen und ihrem Antrag auf Gewährung einer Teilzeitbeschäftigung nicht habe entsprechen können.

3. Auch wenn der Bemessungszeitraum im erweiterten Bemessungsrahmen (§ 130 Abs 3 SGB 3) durch Erziehungszeiten weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält, ist eine Erweiterung des Bemessungsrahmens wegen Mutterschutz- bzw Erziehungszeiten in Anwendung des § 130 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 3 nicht möglich.

4. Die fiktive Bemessung des Arbeitslosengeldes nach Qualifikationsgruppen gem § 132 SGB 3, auch wenn Mutterschutz- und Erziehungszeiten mitursächlich sind, ist nicht verfassungswidrig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.08.2011; Aktenzeichen B 11 AL 33/10 R)

 

Tenor

1.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 05.06.2007 - S 10 AL 479/05 - wird zurückgewiesen.

2.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

3.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die der Klägerin im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gewährte Abfindung zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 10.10. bis zum 13.11.2005 geführt hat sowie über die Höhe des Alg ab dem 14.11.2005.

Die 1970 geborene Klägerin hat eine Ausbildung zur Bürokauffrau abgeschlossen und war seit 01.04.1990 als Angestellte bei der W B eG in Vollzeit beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis konnte vom Arbeitgeber mit einer Kündigungsfrist von 5 Monaten zum Ende des Vierteljahres gekündigt werden. Diese Kündigung war nicht nur bei einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistungen zulässig.

Am 06.04.2002 gebar die Klägerin einen Sohn und erhielt anschließend Mutterschafts- und Erziehungsgeld. Bis zum 05.04.2005 befand sich die Klägerin in Elternzeit und aufgrund eines tarifvertraglichen Anspruchs verlängerte sich die Elternzeit bis zum 05.10.2005. Sie erzielte im Februar und März 2001 ein jeweiliges beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 5.347,00 DM, im April 2001 von 5.351,25 DM, im Mai 2001 von 5.780,10 DM, im Juni 2001 von 5.495,00 DM, im Juli 2001 von 5.495,00 DM, im August 2001 von 5.502,82 DM, im September 2001 von 5.495,00 DM, im Oktober 2001 von 5.499,42 DM, im November 2001 von 13.621,00 DM, im Dezember 2001 von 5.495,00 DM sowie im Januar 2002 von 2.810,00 €. Die ihr gewährten Einmalzahlungen sind in diesen Beträgen enthalten. Am 06.10.2005 schlossen die Klägerin und der Arbeitgeber folgende Aufhebungsvereinbarung:

(1)

Die Parteien sind sich darüber einig, dass der bestehende Anstellungsvertrag zum Ablauf der Elternzeit am

05. Oktober 2005

endete, da die W B eG zur Zeit keine Möglichkeit hat, Frau H Teilzeit zu beschäftigen. (Weil eine teilzeitige Beschäftigung nicht zur Verfügung gestellt werden konnte)

(2)

Die W B eG verpflichtet sich, nach Abschluss der Aufhebungsvereinbarung eine einmalige Abfindung in Höhe von 9.000,00 € (i.W. neuntausend) mit der dem Abschluss folgenden Abrechnung zu zahlen. Die Möglichkeiten der steuerfreien bzw. steuerbegünstigten Zahlung der Abfindung werden entsprechend ausgeschöpft.

...

Die Klägerin meldete sich am 10.10.2005 arbeitslos und gab im Antrag auf Gewährung von Alg vom 20.10.2005 an, nur noch zeitlich eingeschränkt an 25 Stunden in der Woche arbeiten zu wollen. Die Beklagte legte der Bemessung ein fiktives Arbeitsentgelt in Höhe von täglich 64,40 € zugrunde, welches aufgrund der Teilzeitverfügbarkeit auf 41,82 € (64,40 € : 38,5 Stunden x 25 Stunden) vermindert wurde. Bei der Bemessung des fiktiven Arbeitsentgelts ordnete die Beklagte die Klägerin der Qualifikationsgrup...

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