Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Verfahrensgegenstand. Verletztengeld. Wegfall. Verletztenrente. Beginn. Arbeitsunfähigkeit. zumutbare Berufstätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird in einem Klageverfahren ein Bescheid angegriffen, in dem ua über den Beginn der Verletztenrente entschieden worden ist, wird ein danach ergangener Bescheid über die Dauer des Verletztengeldes (§ 562 Abs 1 iVm § 580 Abs 3 Nr 1 RVO) gemäß § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits.

2. Der Rentenbeginn nach § 580 Abs 3 Nr 1 RVO setzt nicht voraus, daß damit zu rechnen ist, der Versicherte werde seine vor dem Arbeitsunfall ausgeübte Tätigkeit nie mehr verrichten können. Ist die weitere Arbeitsunfähigkeit nur für einen vorübergehenden Zeitraum von ca sechs Monaten prognostizierbar, ist jedoch jedenfalls dann Verletztengeld weiterzugewähren (§ 562 Abs 1 RVO), wenn dem versicherten Landwirt nicht zumutbar ist, in der Zeit der Ungewißheit über die weitere Entwicklung der Unfallfolgen bis zum Ablauf dieses Zeitraumes seinen Betrieb völlig einzustellen.

 

Orientierungssatz

Für die Prüfung der Zumutbarkeit einer Tätigkeit iS von § 580 Abs 3 Nr 1 RVO können insoweit die Regeln der Verweisbarkeit im Rahmen des § 43 SGB 6 entsprechend herangezogen werden.

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob dem Kläger für die Zeit vom 24.1. bis 26.7.1992 Verletztengeld wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 1.3.1991 zu gewähren ist. Die Beklagte ist als Rechtsnachfolgerin der Rheinischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (BG) ins Verfahren eingetreten.

Der 1949 geborene Kläger ist von Beruf selbständiger Landwirt. Er bewirtschaftet ca 120 ha Ackerland, wobei er Getreide anbaut und Hühner hält. Außerdem führte er bis zu seinem Arbeitsunfall im Auftrag mehrerer Gemeinden Holzrückarbeiten in deren Kommunalwäldern aus.

Bei dem Arbeitsunfall vom 1.3.1991 zog sich der Kläger eine distale Unterschenkelfraktur rechts zu. Die Unfallverletzung wurde osteosynthetisch versorgt. Am 9.6.1991 und Anfang Januar 1992 kam es durch die unfallbedingte Gehunsicherheit zu zwei Folgeunfällen. Der Unfall vom 9.6.1991 hatte eine Schädigung der Halswirbelsäule (HWS) zur Folge. Bei dem Unfall von Anfang Januar 1992 trug der Kläger eine Verletzung des linken Vorfußes (knöcherne Absprengung an der Basis des Großzehengrundgelenkes) davon.

Die Rheinische landwirtschaftliche BG bewilligte dem Kläger für die Zeit nach dem Arbeitsunfall Verletztengeld durch mehrere Bescheide, ua durch Bescheid vom 29.10.1991 für die Zeit vom 15.6. bis 30.9.1991.

Prof Dr D vom Ev. Stift St. M in K führte in seinem Bericht vom 27.1.1992 aufgrund einer Untersuchung am 23.1.1992 aus, das medizinische Heilverfahren sei spätestens am 23.1.1992 beendet. Es sei ein Endzustand eingetreten. Der Kläger werde seine schwere körperliche Tätigkeit in unebenem Gelände wegen der Unfallfolgen im Bereich der rechten unteren Extremität auch in den nächsten Monaten nicht ausüben können. Ohne daß man schon ein endgültiges Urteil abgeben könne, müsse man befürchten, daß er seiner Arbeit möglicherweise überhaupt nicht mehr gewachsen sein werde. Die Einschaltung eines Berufshelfers sei notwendig. Als weitere medizinische Maßnahme sei die Metallentfernung im rechten Unterschenkel erforderlich.

In einem Aktenvermerk vom 28.2.1992 hielt ein Berufshelfer der Rheinischen landwirtschaftlichen BG fest: Nach dem Unfall habe der Kläger die Holzrückarbeiten an Subunternehmer vergeben. Er habe angegeben, auch seine übrigen Tätigkeiten als Landwirt nur in sehr begrenztem Umfang wieder aufnehmen zu können. Ob qualifizierte Umschulungsmaßnahmen durchgeführt werden sollten oder eine Wiedereingliederung in eine geeignete Tätigkeit in Betracht komme, sei durch die Arbeitsverwaltung abzuklären. Derzeit würden allerdings Berufshilfemaßnahmen vom Kläger nicht gewünscht. Aus verständlichen Gründen, ua im Hinblick auf noch erhebliche Schulden nach Aussiedlung des Betriebes, wolle er sein Unternehmen noch nicht abgeben und in begrenztem Umfang weiterbewirtschaften bzw von Familienangehörigen oder Fremdarbeitskräften bewirtschaften lassen. Im übrigen hoffe er, daß nach der Metallentfernung noch eine wesentliche Besserung der Unfallfolgen eintreten werde. Er wolle sich dann erneut Gedanken über seine berufliche Neuorientierung machen. Der Berufshelfer führte an, nach dem Bericht von Prof Dr D und den Äußerungen des Verletzten sei die Zahlung des Verletztengeldes zum 23.1.1992 einzustellen und ab 24.1.1992 Rente zu zahlen.

Durch Bescheid vom 10.3.1992 gewährte die Rheinische landwirtschaftliche BG dem Kläger daraufhin Verletztengeld für die Zeit vom 1.10.1991 bis 23.1.1992.

In seinem Gutachten vom April 1992 schätzte Oberarzt Dr W - (mit Ärztin Dr K) vom Ev. Stift St. M in K die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die vorläufige Rente mit 20 vH ein. Durch Bescheid vom 25.6.1992 gewährte die Rheinische landwirtschaftliche BG dem Kläger daraufhin für die Zeit ab 24.1.1992 eine vorläufige Rente nach einer MdE von 20 %.

Am 28.7.199...

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