Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Regelleistung. Sonderbedarf. Kinderbett und Kinderwagen. Erstausstattung einer Wohnung

 

Orientierungssatz

1. Das Tatbestandsmerkmal "Erstausstattung der Wohnung" in § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 ist nicht zeitlich, sondern bedarfsbezogen zu verstehen.

2. Der Begriff der Erstausstattung iS des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 darf nicht zu eng ausgelegt werden. Zur Erstausstattung einer Wohnung, in die ein Säugling aufgenommen werden soll, gehört ein - ggf gebrauchtes - Kinderbett mit Matratze. In diesem personenbezogenen Sinn gehört auch die Anschaffung eines Kinderwagens zur Erstausstattung.

3. Besteht ein Anspruch auf Leistungen für die Erstausstattung zusätzlich zu den Regelleistungen, kann nicht darauf verwiesen werden, dass diese Gegenstände nur gem § 23 Abs 1 S 1 SGB 2 in Form eines Darlehens gewährt werden können.

 

Tenor

1. Die Beschwerdegegnerin wird unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Speyer vom 28.04.2005 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Beschwerdeführern vorläufig einmalige Hilfen für ein gebrauchtes Kinderbett und einen gebrauchten Kinderwagen zugunsten der Beschwerdeführerin zu 3) zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführer begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin, die Kosten in Höhe von 300,-- Euro für die Anschaffung eines Kinderbettes und Kinderwagens nebst Zubehör für die Beschwerdeführerin zu 3) zu gewähren.

Der 1975 geborene Beschwerdeführer zu 1), und seine nicht getrennt lebende 1976 geborene Ehefrau, die Beschwerdeführerin zu 2), sind die Eltern der am 1998 und am   2002 in Russland geborenen Söhne sowie ihrer am   2005 in F geborenen Tochter, der Beschwerdeführerin zu 3). Der Beschwerdeführer zu 1) und die Beschwerdeführerin zu 2) sind arbeitslos. Sie beziehen gemeinsam mit ihren Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit Schreiben vom 26.01.2005 beantragte die Beschwerdeführerin zu 2) anlässlich der bevorstehenden Geburt ihres Kindes ein Kinderbett mit Zubehör als Erstausstattung des Hausrates sowie einen Kinderwagen als Erstausstattung. Mit Bescheid vom 01.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2005 lehnte die Beschwerdegegnerin, unter Bewilligung von Kleidungspauschalen für Schwangerschaft (150,-- Euro) und Babykleidung (180,-- Euro), den Antrag ab.

Der Beschwerdeführer zu 1) hat gegen die Versagung Klage erhoben und am 22.04.2005 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem er die vorläufige Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Gewährung von 300,-- Euro für die Anschaffung eines Kinderbettes und Kinderwagens mit Zubehör beantragt hat.

Mit Beschluss vom 28.04.2005 hat das Sozialgericht den Antrag abgewiesen, da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei. Die Bedarfe für Schwangerschaftsbekleidung und Babybekleidung könnten als Pauschale gewährt werden, so dass ein darüber hinausgehender Bedarf nicht geltend gemacht werden könne. Ein Kinderbett und ein Kinderwagen, die in einem bestehenden Haushalt angeschafft werden sollten, stellten keine Erstausstattung der Wohnung dar, so dass einmalige Beihilfen nicht gewährt werden könnten.

Der Beschwerdeführer zu 1) hat am 23.05.2005 sinngemäß auch für die Beschwerdeführerinnen zu 2) und 3) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung tragen sie vor: Ein Kinderbett und ein Kinderwagen gehörten zur Erstausstattung einer Wohnung und seien deshalb als Beihilfe zu gewähren. Jedenfalls sei aus dem Grundrecht auf “Sicherung des Existenzminimums" ein solcher Anspruch abzuleiten. Auch seien die Bekleidungspauschalen zu niedrig angesetzt und enthielten weder nachvollziehbare Erfahrungswerte noch geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen. Die einmaligen Beihilfen nach dem SGB II seien zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich, weil diese in der statistischen Berechnung der Regelleistungen nicht enthalten und mitberücksichtigt seien. Dies gelte auch, soweit einmalige Leistungen nunmehr in die Regelleistungen integriert seien. Diesem Grundsatz trage der Gesetzgeber durch § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) Rechnung und diese Bestimmung sei neben dem SGB II anwendbar. Ein Bett gehöre zur Grundausstattung in Form einer Erstausstattung einer Wohnung, da eine Erstausstattung personenbezogen erfolgen müsse. Deshalb sei auch für einen Säugling ein Kinderwagen eine Erstausstattung. Für diese Gesetzesinterpretation spreche auch die Ablehnung des Antrages auf Gesetzesergänzung durch den Bundesrat, mit dem die Aufnahme einer Babyausstattung in die Regelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II abgelehnt worden sei. Der Hinweis, dass die Umsetzung der Neuregelung eine intensive Begleitung erfordere, stelle klar, dass die Bundesregierung unausgesprochen die Auffassung vertrete, dass der Grundbedarf für Kinderw...

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