nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähige Gebühren. Rechtsanwalt. Widerspruchsverfahren. Erledigungsgebühr. Isoliertes Vorverfahren. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Einlegung und Begründung des Widerspruchs genügt nicht, um die Erledigungsgebühr für ein Vorverfahren entstehen zu lassen. Daneben ist ein weiteres, gezielt auf die einvernehmliche Beilegung des Streites gerichtetes Tätigwerden des Rechtsanwalts erforderlich. Denn eine Tätigkeit des Rechtsanwalts kann auch dann nicht zwei verschiedene Gebührentatbestände gleichzeitig auslösen, wenn sie im Ergebnis (d.h. bereits ohne weiteres Tätigwerden) dazu führt, dass, wie es in Satz 2 zu Nr. 1002 VV heißt, sich die Rechtssache durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Ansonsten wäre jeder vollständig erfolgreiche Widerspruch mit zwei Gebühren zu vergüten, weil allein dieser Erfolg dazu geführt hat, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden, während es bei der Teilabhilfe immer noch eines zusätzlichen „anwaltlichen Bestrebens, die Streitigkeit möglichst ohne Anrufung des Gerichts beizulegen” bedürfte.

 

Normenkette

RVG § 3 Abs. 1-2; VV RVG Nrn. 1002, 1005; BRAGO § 24; SGB X § 63; SGG § 183 S. 1, § 197a Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

SG Aachen (Urteil vom 19.04.2005; Aktenzeichen S 13 KR 15/05)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.11.2006; Aktenzeichen B 1 KR 22/06 R)

BSG (Aktenzeichen B 1 KR 1/06 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19.04.2005 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Gebühren eines Rechtsanwalts als Bevollmächtigtem im Widerspruchsverfahren.

Der 1936 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Im Oktober 2004 beantragte er bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Wechseldruckmatratze und wies zur Begründung seines Anspruchs auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.09.2002 hin, das er in Ablichtung vorlegte. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 12.11.2004). Dagegen legte der Kläger durch seine jetzigen Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein: Nach dem Urteil des BSG sei die Versorgung mit der Wechseldruckmatratze eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beklagte half dem Widerspruch vollständig ab und erklärte sich bereit, die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach zu übernehmen. Der Kläger bezifferte die Kosten für die anwaltliche Tätigkeit seiner Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren mit insgesamt 626,40 Euro, wobei er neben einer Geschäftsgebühr in Höhe von EUR 240 eine Erledigungsgebühr in Höhe von EUR 280 in Rechnung stellte. Die Beklagte zahlte EUR 301,60 (EUR 240 + EUR 20 Unkostenpauschale + EUR 41,60 Umsatzsteuer (USt)). Die zusätzlich verlangte Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, da außer der Einlegung des Widerspruchs keine weitere Mitwirkung erfolgt sei (Bescheid vom 13.12.2004; Widerspruchsbescheid vom 26.01.2005).

Dagegen hat der Kläger am 22.02.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Aachen erhoben und Zahlung weiterer EUR 324,80 (EUR 280 + EUR 44,80 USt) nebst Zinsen begehrt. Die Erledigungsgebühr entstehe, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes erledige. Dies sei hier der Fall, da die Beklagte den ablehnenden Bescheid ohne die anwaltliche Mitwirkung (Widerspruch mit Begründung) nicht aufgehoben hätte. Die Sache sei klassisch für den Anfall der Erledigungsgebühr.

Die Beklagte wandte ein, die bloße Vornahme von Verfahrenshandlungen, z.B. die Fertigung einer Widerspruchsschrift, reiche nicht aus, um zusätzlich auch die Erledigungsgebühr auszulösen. Es mangele an einer dazu erforderlichen weiteren anwaltlichen Mitwirkung.

Das SG hat – im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung – die Beklagte antragsgemäß verurteilt: Maßgeblich für den Anfall der Erledigungsgebühr sei, dass die Verwaltungsbehörde in einem ablehnenden Bescheid bereits einen bestimmten, dem Auftraggeber ungünstigen Standpunkt eingenommen habe und dass durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts gelungen sei, diesen Standpunkt zu Gunsten seines Auftraggebers zu ändern. Es hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 19.04.2005).

Mit ihrer Berufung vom 27.04.2005 hat die Beklagte eingewandt, nach der zeitlichen Zäsur, nämlich der förmlichen Einlegung des Widerspruchs, sei eine weitere anwaltliche Mitwirkung erforderlich, um die streitige Gebühr auszulösen. Eine solche sei hier nicht ersichtlich. Es reiche nicht, dass sich die Angelegenheit nach Einlegung des Widerspruchs irgendwie erledige. Hier habe der Bevollmächtigte nur alles für eine streitige Entscheidung getan, nämlich Widerspruch eingelegt. Für eine unstreitige Erledigung der Angelegenheit habe er sich gerade nicht eingesetzt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19.04.2005 zu ände...

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