Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Bestimmung des Bemessungszeitraums. Nebeneinander von Einkünften aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit

 

Orientierungssatz

Die Verschiebung des Bemessungszeitraums nach § 2 Abs 9 S 3 iVm S 1 BEEG setzt voraus, dass der Elterngeldberechtigte zusätzlich Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielt. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung muss es aber ausreichen, dass überhaupt selbstständige und nichtselbstständige Tätigkeiten in den relevanten Zeiträumen gleichzeitig ausgeübt werden. Ein bestimmtes Rangverhältnis ist nicht erforderlich. Denn die mit § 2 Abs 9 S 1 BEEG beabsichtigte Verwaltungsvereinfachung (vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 5) durch den Rückgriff auf den Steuerbescheid des Finanzamtes für den letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum hängt nicht davon ab, in welchem Größenverhältnis die ausgeübte selbstständige Tätigkeit zu den Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit steht. Lediglich bei völlig untergeordneten, wirtschaftlich überhaupt nicht ins Gewicht fallenden Einnahmen (etwa aus einmaligen Veröffentlichungen), deren Berücksichtigung den Elterngeldbehörden auf den ersten Blick auch ohne steuerliche Veranlagung möglich ist, weil sie sich etwa auf die Höhe des Elterngeldes ersichtlich nicht auswirkt, mag im Einzelfall etwas anderes gelten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.04.2012; Aktenzeichen B 10 EG 4/11 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 02.06.2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bestimmung des richtigen Bemessungszeitraums für das Elterngeld beim Nebeneinander von Einkünften aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit.

Die Klägerin ist Mutter der am 00.00.2007 geborenen Tochter M.

Die Klägerin ist ausgebildete Ärztin und stand seit 2003 als Beamtin bis zur Geburt ihrer Tochter (und erneut nach der Elternzeit) im Dienstverhältnis zuletzt bei der Bundesanstalt für Arzneimittel und Medizinprodukte. Neben dieser Beamtentätigkeit übte die Klägerin durchgehend eine Nebentätigkeit als Praxisvertretung im Umfang von 10 h monatlich aus.

Im Jahr 2006 erhielt die Klägerin als Beamtin laut vorgelegten Lohnsteuerbescheinigungen eine Besoldung von brutto 29.714 EUR (netto 20.165) EUR, aus ihrer Selbstständigkeit flossen ihr weitere 4028 EUR Gewinn vor Steuern zu. In den 12 Monaten vor der Geburt ihrer Tochter blieben der Umfang der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin und der daraus erzielte Gewinn im Vergleich zum Jahr 2006 unverändert. Dagegen erhöhte die Klägerin ihre Arbeitszeit als Beamtin in diesem Zeitraum im Vergleich zum Kalenderjahr 2006 schrittweise um 12,4 % und erzielte dadurch eine höhere Besoldung von insgesamt brutto rund 34.488 EUR (25.279 EUR netto). Zum Januar 2007 wechselte die Klägerin zu dem in die Steuerklasse IV und ließ zwei Kinderfreibeträge auf ihrer Lohnsteuerkarte eintragen.

Im Einzelnen erzielte die Klägerin als Beamtin im streitbefangenen Zeitraum folgende Nettoeinkünfte aus ihrem Dienstverhältnis:

Monat Januar 2006 = 1.370 EUR bei 20 Wochenstunden

Monat Februar 2006 = 1.370 EUR bei 20 Wochenstunden

Monat März 2006 = 1.370 EUR bei 20 Wochenstunden

Monat April 2006 = 1.370 EUR bei 20 Wochenstunden

Monat Mai 2006 = 1.432 EUR bei 20,5 Wochenstunden

Monat Juni 2006 = 1.801 EUR bei 26,34 Wochenstunden

Monat Juli 2006 = 1.801 EUR bei 26,34 Wochenstunden

Monat August 2006 = 1.801 EUR bei 26,34 Wochenstunden

Monat September 2006 = 1.801 EUR bei 26,34 Wochenstunden

Monat Oktober 2006 = 1.890 EUR bei 28 Wochenstunden

Monat November 2006 = 1.890 EUR bei 28 Wochenstunden

Monat Dezember 2006 = 2.269 EUR bei 28 Wochenstunden

Monat Januar 2007 = 2.293 EUR bei 28 Wochenstunden

Monat Februar 2007 = 2.293 EUR bei 28 Wochenstunden

Monat März 2007 = 2.293 EUR bei 28 Wochenstunden

Monat April 2007 = 2.362 EUR bei 28 Wochenstunden

Monat Mai 2007 = 2.293 EUR bei 28 Wochenstunden

Monat Juni 2007 = 2.293 EUR bei 28 Wochenstunden

Mit Bescheid vom 24.01.2008 bewilligte die Beklagte Elterngeld für den 4. bis 12. Lebensmonat in Höhe von 1.319,10 EUR monatlich. Sie legte dabei die Einkünfte der Klägerin aus ihrer selbstständigen und nichtselbstständigen Tätigkeit im Jahr 2006 zu Grunde.

Der Widerspruch der Klägerin führte aus, bei der Berechnung der Einkünfte sei im 9. Monat ein unzutreffendes Brutto-Einkommen zugrundegelegt worden. Auch seien die Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit der Monate Januar bis Juni 2007 nicht berücksichtigt worden, obwohl Einkommensnachweise vorgelegen hätten.

Die Beklagte half dem Widerspruch teilweise ab, soweit die Klägerin die Berücksichtigung höheren Einkommens für September 2005 verlangt hatte. Unter Berücksichtigung einer. Verdienstbescheinigung für die ab 18.02.2008 aufgenommene Teilzeittätigkeit bewilligte die Beklagte mit Abhilfebescheid vom 04.04.2008 Elterngeld für den 4. bis 7. Lebensmonat...

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