Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Zulassungsbeschränkung. Besetzung eines zusätzlichen Vertragsarztsitzes. gerichtliche Prüfung. Zulassungsgremien. Feststellung eines besonderen Versorgungsbedarfs

 

Orientierungssatz

1. Die Besetzung eines zusätzlichen Vertragsarztsitzes in überversorgten Gebieten ist nur bei Bestehen eines besonderen Versorgungsbedarfs zulässig, wenn dies zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung im betroffenen Versorgungsbereich unerlässlich ist.

2. Das Gericht hat bei der Überprüfung, ob ein besonderer Versorgungsbedarf besteht, zu entscheiden, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt und ob dieser die getroffene Entscheidung nachvollziehbar trägt.

3. Bei der Feststellung eines besonderen Versorgungsbedarfs durch die Zulassungsgremien ist zu klären, in welchem Umfang ein Bedarf an den streitigen ärztlichen Leistungen besteht, ob dieser Bedarf abgedeckt ist und die ärztliche Tätigkeit des qualifizierten Inhalts in dem betreffenden fachärztlichen Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung steht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.11.2008; Aktenzeichen B 6 KA 10/08 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 09.11.2006 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 07.06.2006 verurteilt, über den Widerspruch des Beigeladenen zu 7) gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 07.12.2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates erneut zu entscheiden. Der Beklagte und der Beigeladene zu 7) tragen die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz als Gesamtschuldner zu je 1/2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Sonderbedarfszulassung.

Der 1966 geborene Beigeladene zu 7) ist Facharzt für Innere Medizin; der Schwerpunkt Pneumologie wurde ihm im November 2004 zuerkannt (Urkunde der Ärztekammer Nordrhein vom 25.11.2004). Seit 01.10.2000 ist er als Assistenzarzt in den Kliniken N in N tätig.

Er beantragte am 06.06.2005, ihn im Rahmen des Sonderbedarfs zur vertragsärztlichen Versorgung als fachärztlicher Internist mit Schwerpunkt Pneumologie zuzulassen. Er strebe die Niederlassung als Pneumologe und Allergologe in einem an das Krankenhaus Heinsberg assoziierten Ärztehaus an. Trotz des hohen internistischen Versorgungsgrades bestehe speziell im pneumologischen Fachgebiet eine große Lücke. Die pneumologische Versorgung werde derzeit in H durch den Internisten Dr. Dr. I und in F durch den Facharzt für Innere Medizin A gewährleistet; in der Stadt Heinsberg sowie in den Gemeinden Gangelt, Waldfeucht und Selfkant sei jedoch keine wohnortnahe pneumologische Konsultationsmöglichkeit vorhanden. Besonders für Schwerkranke, z.B. Patienten mit respiratorischer Insuffizienz bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, sei die weite Anfahrt ein Problem. Auch fehle eine wohnortnahe pneumologisch-onkologische Versorgung; zudem gebe es zu wenige schlafmedizinische Untersuchungsmöglichkeiten. Der Kreis Heinsberg sei im Übrigen in den letzten 15 Jahren im Bundesvergleich überdurchschnittlich gewachsen.

Die Klägerin befürwortete den Antrag nicht. Die Voraussetzungen nach den Bedarfsplanungsrichtlinien lägen nicht vor. Der Planungsbezirk Heinsberg sei für fachärztlich tätige Internisten gesperrt. Der Versorgungsgrad betrage insoweit 178,2 %. Ein "besonderer Versorgungsbedarf" bestehe nicht.

Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag mit Bescheid vom 07.12.2005 mit der Begründung ab, dass kein besonderer Versorgungsbedarf i.S.d. Nr. 24 der Bedarfsplanungsrichtlinien bestehe; die Versorgung werde durch niedergelassene Fachärzte für Innere Medizin mit der Schwerpunktbezeichnung Pneumologie sichergestellt. Mit seinem Widerspruch machte der Beigeladene zu 7) geltend, dass die von der Klägerin angeführte Zahl von 15 fachärztlich tätigen Internisten (Versorgungsgrad 178,4 %) für die Versorgung auf pneumologischem Gebiet nicht maßgeblich sei. Im Kreis Heinsberg habe ein Pneumologe 127.891 Patienten zu versorgen; die von den Fachgesellschaften und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung optimal angestrebte Verhältniszahl betrage hingegen 1: 80.000. Im Bereich Neuss liege die Verhältniszahl nach Zulassung zweier weiterer Pneumologen bei 1: 89.430. Der Beigeladene zu 7) überreichte dazu eine Übersicht über die Verteilung der Pneumologen in den Planungsbereichen der Klägerin. Danach weist Solingen mit einem Einwohner-Pneumologen-Verhältnis von 32.631 die höchste, der Kreis Viersen mit 303.943 die niedrigste Versorgungsdichte auf. Der Kreis Heinsberg liegt mit 127.891 auf dem 22. Platz; fünf Kreise weisen eine geringere Versorgungsdichte auf.

Der Arzt A befürwortete eine Zulassung des Beigeladenen zu 7) (Schreiben vom 01.06.2006). Aufgrund der Situation in Heinsberg mit zwei niedergelassenen Pneumologen - Dr. Dr. I und er - sei bei einer Einwohnerzahl von gut 240.00...

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