Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags bei einem Insolvenzereignis durch die Bundesagentur für Arbeit

 

Orientierungssatz

1. Die Agentur für Arbeit zahlt nach § 28d SGB 4 den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt ist, auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle.

2. Beiträge verjähren nach § 25 Abs. 1 SGB 4 in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Diese Vorschrift findet auch auf Beitragsansprüche nach § 208 SGB 3 Anwendung. Die Bundesagentur tritt wirtschaftlich in die Stellung des Arbeitnehmers ein, sodass sie in gleichem Umfang wie dieser zur Beitragsleistung verpflichtet bleibt.

3. Soweit die Beitragsansprüche durch rechtskräftigen Bescheid festgestellt sind, gilt eine Verjährungsfrist von 30 Jahren. Weil Gegner eines Anspruchs nach § 208 SGB 3 ausschließlich die Bundesagentur und nicht der Arbeitgeber ist, gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass der Beitragsbescheid der Einzugsstelle gegenüber der Bundesagentur als zur Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in Betracht kommenden Stelle und nicht gegenüber dem Arbeitgeber ergangen ist.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.02.2008 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.536,26 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung bei Vorliegen eines Insolvenzereignisses im Wege eines Überprüfungsverfahrens.

Nach einer Auskunft aus dem Gewerberegister der Stadtverwaltung P (Sachsen) stellte der Zeuge F (F.) am 30.04.1998 die Betriebstätigkeit seines Fuhrbetriebs ein. Mit Bescheid vom 07.03.2001 stellte die Klägerin gegenüber dem F. Beitragsrückstände zur Sozialversicherung zuzüglich Säumniszuschlägen für den Zeitraum Mai 1997 bis April 1998 i. H. v. 11.300,80 DM fest. Diese bezogen sich auf den einzigen Arbeitnehmer des Betriebes, den Beigeladenen. Dieser erzielte ein monatliches Bruttogehalt i. H. v. 1850,00 DM. Für die Monate Dezember 1997 und April 1998 blieb F. dem Beigeladenen Teile der vereinbarten Vergütung in Höhe von 1.583,85 DM schuldig. F. verpflichtete sich vergleichsweise am 17.03.1999 vor dem Arbeitsgericht Leipzig zur Zahlung dieser Summe. Der Beigeladene beantragte bei der Beklagten kein Insolvenzgeld.

Die Klägerin stellte unter dem 31.08.2000 bei der Beklagten einen Antrag auf Entrichtung von Pflichtbeiträgen nach § 208 SGB III i. H. v. 2400, 45 DM (= 1.227,37 Euro) zuzüglich Säumniszuschlägen i. H. v. 609,00 DM (311,30 Euro). Der Antrag bezog sich auf nicht entrichtete Beiträge für den Beigeladenen durch F. für den Zeitraum 30.01.1998 bis 29.04.1998. Mit Bescheid vom 29.09.2000 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass eine Einstellung der gesamten betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers nicht nachgewiesen sei. Es sei nicht erkennbar, dass F. nicht noch andere Betriebe weiterführe. Mit Schreiben vom 19.10.2000 teilte die Beklagte mit, dass die Ablehnung nur vorläufig sei und dass nach Abschluss noch laufender Ermittlungen ein abschließender rechtsmittelfähiger Bescheid erteilt werde. Unter dem 22.11.2000 teilte F. telefonisch der Beklagten mit, dass er keine weiteren Firmen besitze. Er habe den Fuhrbetrieb wegen Unrentabilität eingestellt. Er habe "keine Lust" mehr gehabt, das Unternehmen weiterzuführen. Mit Bescheid vom 23.11.2000 lehnte die Beklagte den Antrag erneut ab. Eine Betriebseinstellung am 30.04.1998 läge zwar vor, der Betrieb sei nach Mitteilung des F. aber nicht wegen Zahlungsunfähigkeit eingestellt worden. Mit Schreiben vom 01.12.2000 bat die Klägerin um erneute Überprüfung und legte u. a. ein Protokoll über eine fruchtlose Pfändung durch den Gerichtsvollzieher vom 14.10.1999 vor. Mit Bescheid vom 19.12.2000 lehnte die Beklagte den Antrag erneut ab. Die Einstellung sei wegen Unrentabilität, nicht jedoch wegen Zahlungsunfähigkeit erfolgt.

Unter dem 09.08.2004 stellte die Beklagte einen "Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X" hinsichtlich der Ablehnung der Zahlung der Pflichtbeiträge nach § 208 SGB III. Es liege ein Insolvenzereignis vor, da der Fuhrbetrieb des F. vollständig eingestellt worden sei, ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden sei, ein solcher aber mangels Masse offensichtlich nicht in Betracht gekommen sei. Eine Betriebsaufgabe wegen Unrentabilität bedeute, dass der Betrieb nicht kostendeckend gearbeitet habe. Am 17.06.1998 und 28.09.1998 habe F. um Teilzahlungsvereinbarungen gebeten, da er im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht habe zahlen können. Bei einem Nettoeinkommen von 1.500,00 DM ...

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