Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfeanspruch. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögensverwertung. maßgebender Freibetrag. Ehegatten. Übergangsregelung. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

1. Die Übergangsregelung des § 4 Abs 2 S 2 AlhiV 2002 findet nur auf den Ehegatten Anwendung, der vor dem 1.1.1948 geboren ist (entgegen SG Berlin vom 25.10.2004 - S 77 AL 1761/04 = info also 2005, 29). Eine besondere Schutzbedürftigkeit der Ehe nach Art 6 Abs 1 GG hat der Gesetzgeber nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht zum Ausdruck gebracht.

2. § 4 Abs 2 S 2 AlhiV 2002 stellt sicher, dass die bis 1.1.1948 geborenen Personen, bei denen der Gesetz- bzw Verordnungsgeber eine Erhöhung der Rentenansprüche durch eigene Erwerbstätigkeit nicht mehr als realisierbar ansah, von der auch in § 12 Abs 1 Nr 1 SGB 2 übernommenen deutlichen Absenkung des Grundfreibetrages aus Gründen des Vertrauensschutzes ausgenommen bleiben.

3. Ist der Kreis der Begünstigten in der Übergangsregelung bestimmt, kann er auch nicht über § 2 Abs 2 SGB 1 erweitert werden.

 

Normenkette

SGB III § 190 Abs. 1 Nr. 5, § 193; AlhiV 2002 § 1 Abs. 2 S. 1, § 4 Abs. 2 S. 2; SGB II § 12 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.11.2007; Aktenzeichen B 11a AL 59/06 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.10.2005 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob dem Kläger vom 01.07. bis 26.11.2003 Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu gewähren ist.

Der am 00.00.1944 geborene Kläger war vom 01.09.1970 bis 30.11.2001 als Kfz-Elektriker beschäftigt. Vom 27.11.2000 bis zur Aussteuerung am 11.02.2001 bezog er Krankengeld. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 12.02.2001 bis 02.04.2003 beantragte der Kläger am 25.03.2003 die Bewilligung von Alhi. Er gab sein und das Vermögen seiner am 00.00.1952 geborenen Ehefrau wie folgt an: 2.693,98 EUR Girokonto, 1.462,13 EUR und 21.110,36 EUR auf Sparkonten, 36.455,79 EUR Wertpapiere und 539,00 EUR Wert eines Grundstückes (Grünland).

Mit Bescheid vom 11.04.2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau über ein Vermögen in Höhe von 62.261,26 EUR verfüge, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 30.160,00 EUR für ihn und für seine Ehefrau in Höhe von 10.000,00 EUR verblieben 22.101,26 EUR, die bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen seien. Der Kläger habe daher keinen Anspruch auf Alhi. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass nicht nur für ihn, sondern auch für seine Ehefrau ein Freibetrag von 520,00 EUR pro Lebensjahr, insgesamt somit 67.000,00 EUR anzusetzen seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2003 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass der Freibetrag gem. § 1 Abs. 2 der Alhi-Verordnung (AlhiV) in der ab 01.01.2003 geltenden Fassung der Betrag von 200,00 EUR je vollendeten Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners sei; dieser dürfe für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 13.000,00 EUR nicht übersteigen. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 AlhiV sei abweichend hiervon der bis 31.12.2002 geltende Freibetrag für Personen maßgeblich, die bis 01.01.1948 geboren seien. Nach dieser Übergangsvorschrift sei entgegen der Auffassung des Klägers der Freibetrag in Höhe von 520,00 EUR je vollendetem Lebensjahr in der bis 31.12.2002 geltenden Fassung des § 1 Abs. 2 AlhiV nur für ihn und nicht für seine Ehefrau maßgeblich, da diese nach dem 01.01.1948 geboren sei. Der Kläger und seine Ehefrau verfügten über ein Vermögen von insgesamt 62.262,26 EUR. Unter Berücksichtigung der Freibeträge von 10.000,00 EUR für die Ehefrau (50 vollendete Lebensjahre x 200,00 EUR) und von 30.160,00 EUR für den Kläger (58 vollendete Lebensjahre x 520,00 EUR) verbleibe als verwertbares Vermögen ein Betrag in Höhe von 22.101,00 EUR. Dieser Betrag sei bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen.

Am 25.06.2003 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben und ist bei seiner Auffassung verblieben, dass im Hinblick auf sein Alter gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 AlhiV auch für seine Ehefrau der bis 31.12.2002 geltende höhere Freibetrag einzuräumen sei. Ihr Vermögen habe den Freibetrag in Höhe von 56.160 EUR (30.160,00 EUR für ihn - 58 x 520,00 EUR - und 26.000,00 EUR für seine Ehefrau - 50 x 520,00 EUR -) spätestens am 01.07.2003 unterschritten. Nach der Bescheinigung seiner Bank vom 27.05.2005 habe ihr Vermögen zu diesem Zeitpunkt nämlich nur noch 55.486,97 EUR betragen. Die Differenz zu dem Wert des Vermögens am 11.04.2003 in Höhe von damals 62.261,26 EUR hätten sie für den Lebensunterhalt verwendet.

Mit Bescheid vom 02.12.2003 hat die Beklagte dem Kläger ab 26.11.2003, dem Tag der erneuten Antragstellung, Alhi bewilligt, weil sie ab diesem Zeitpunkt von Bedürftigkeit ausging. Es ergab sich ein Leistungsbetrag in Höhe von 235,48 ...

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