Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines Überleitungsbescheides des Sozialhilfeträgers gegenüber einem Drittschuldner wegen eines Schadensersatzanspruchs

 

Orientierungssatz

1. Bei dem Überleitungsbescheid des Sozialhilfeträgers gegen den Drittschuldner wegen geltend gemachter Schadensersatzansprüche nach § 93 SGB 12 handelt es sich um einen den Drittschuldner belastenden Verwaltungsakt. Die Überleitungsanzeige als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt greift in das zwischen dem Drittschuldner und dem Hilfeempfänger bestehende Rechtsverhältnis ein (Vergleiche: BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1993, 5 C 7/91; NJW 1994, 64). Für den Fall einer rechtswidrigen Überleitungsanzeige besteht für den Drittschuldner die Gefahr der Doppelleistung. Damit ist er klagebefugt.

2. Ausreichend für die Rechtmäßigkeit des Überleitungsbescheides ist, dass der übergeleitete Anspruch nach materiellem Recht nicht offensichtlich ausgeschlossen und damit die Überleitung erkennbar sinnlos ist.

3. Der Schadensersatzanspruch geht auf den Träger der Sozialhilfe nur insoweit über, als er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist, wenn der Anspruch auf Schadensersatz durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Haftet der Drittschuldner dem Geschädigten allein im Rahmen einer Gefährdungshaftung auf der Grundlage des Straßenverkehrsgesetzes, so scheitert ein gesetzlicher Forderungsübergang am Quotenrecht des Geschädigten gemäß § 116 Abs. 2 SGB 10, mit der Folge, dass eine Anspruchsüberleitung gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 SGB 12 möglich wird.

4. Zur Bestimmtheit einer Überleitungsanzeige ist nach § 33 Abs. 1 SGB 10 erforderlich, dass sich aus ihr der überzuleitende Anspruch ergibt, die Anzeige folglich erkennen lassen muss, dass der Übergang des Anspruchs des Hilfeempfängers in Höhe der ihm gewährten Sozialhilfeleistungen bewirkt werden soll. Hierzu ist die Angabe von Zeitraum und Höhe der gewährten Sozialhilfe erforderlich, wegen der die Überleitung erfolgt (Anschluss: BSG, Urteil vom 24. August 1988, 7 Rar 74/86).

5. Lässt der Überleitungsbescheid zwar den Anspruch nach seiner Art und dem betreffenden Zeitraum, nicht aber der Höhe nach erkennen, ist er rechtswidrig ergangen.

Zitierung:

BSG, Urteil vom 07. September 2006, B 4 RA 43/05 R; NZS 2007, 504

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 18.12.2008 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Überleitung von Schadensersatzansprüchen des Beigeladenen gegen sie auf den Beklagten nach § 93 SGB XII.

Der 1983 geborene Beigeladene wurde 1989 beim Überqueren einer Straße von einem Pkw erfasst, welcher bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin (nachfolgend: Klägerin) haftpflichtversichert war. Der Beigeladene erlitt ein gedecktes Schädel-Hirn-Trauma und Polytrauma sowie weitere, schwerwiegende Verletzungen, in deren Folge er seither körperlich und geistig schwer behindert ist. Das Oberlandesgericht Hamm stellte mit Urteil vom 23.09.1992, Az. 13 U 202/91, fest, dass die Klägerin dem Beigeladenen "im Rahmen einer Haftung ( ) aus dem Straßenverkehrsgesetz" zum Ersatz des materiellen Schadens aus dem Verkehrsunfall verpflichtet ist, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Der Beigeladene nahm die Klägerin bis heute aus diesem Urteil nicht in Anspruch. Der Beklagte erbringt für den Beigeladenen in Folge des Unfalls seit 1994 durchgängig Sozialhilfe in Form der Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten, welche durch die Unterbringung des Beigeladenen in verschiedenen stationären Einrichtungen entstehen.

Mit Schreiben vom 03.11.2004 machte der Beklagte gegenüber der Klägerin unter Hinweis auf die nach § 116 SGB X auf sie übergegangenen Ansprüche des Beigeladenen Verdienstausfall des Beigeladenen in Höhe von 44.294,69 EUR für die Zeit von Januar 2001 bis November 2004 geltend und leitete mit Bescheid vom 29.11.2004 nach § 90 BSGH die nicht nach § 116 SGB X übergangsfähigen Schadensersatzansprüche bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf sich über. Nachdem die Klägerin eine Zahlungspflicht gegenüber dem Beklagten unter Hinweis auf den Vorrang des Beigeladenen ablehnte, erhob der Beklagte Klage vor dem Landgericht Bonn. Dieses verurteilte die Klägerin mit Urteil vom 03.05.2006, Az. 9 O 30/06, zur Zahlung des von dem Beklagten bezifferten Schadensersatzes in Höhe von 47.422,25 EUR und stellte fest, dass die Klägerin verpflichtet sei, dem Beklagten unter Beachtung der aus § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG folgenden Höchstgrenzen sämtliche weiteren Verdienstausfallschäden des Beigeladenen zu ersetzen. Auf die Berufung der Klägerin wies das Oberlandesgericht Köln die Klage in zweiter Instanz mit Urteil vom 29.07.2007, Az. 18 U 108/06, ab: Es bejahte zunächst die für einen Anspruchsübergang gem. § 116 SGB X geforderte sachliche Kongruenz der Sozialhilfeleistungen ein...

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