Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. stationäre Krankenhausbehandlung. Versicherte mit schweren psychiatrischen Leiden

 

Orientierungssatz

1. Beim Anspruch auf Krankenhauspflege ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt. Vor allem bei psychiatrischer Behandlung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Gerätschaften in den Hintergrund treten und allein schon der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die Möglichkeit einer ambulanten Behandlung ausschließen und die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen (vgl BSG vom 12.11.1985 - 3 RK 33/84 = SozR 2200 § 184 Nr 28).

2. Versicherten mit einem schweren psychiatrischen Leiden ist ein Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung zuzubilligen, wenn nur auf diese Weise ein notwendiger komplexer Behandlungsansatz erfolgversprechend verwirklicht werden kann, dh, wenn es auf das Zusammenwirken eines multiprofessionalen Teams aus Diplompsychologen, Sozialpädagogen, Ergotherapeuten und Bewegungstherapeuten sowie psychiatrischem Krankenhauspflegepersonal unter fachärztlicher Leitung ankommt (vgl BSG vom 16.2.2005 - B 1 KR 18/03 R = SozR 4-2500 § 39 Nr 4).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet ist, die Kosten der Krankenhausbehandlung des Beigeladenen auch in dem Zeitraum vom 01.08.1999 bis 11.08.1999 in der W Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, M (WKPP), deren Träger der Kläger ist, zu übernehmen.

Der bei der Beklagten krankenversicherte Beigeladene wurde am 29.06.1999 aufgrund ärztlicher Verordnung wegen einer Alkoholkrankheit stationär in der WKPP aufgenommen. Bei der Aufnahme wurden folgende Erkrankungen diagnostiziert:

1.

Depressiv neurotische Entwicklung,

2.

Alkoholintoxikation bei Alkoholabhängigkeit,

3.

Alkoholentzugsdelir,

4.

Verdacht auf Tachykardie, Lebererkrankung, Aortasklerose.

Nach der Aufnahme erfolgte zunächst eine auf Distraneurin gestützte Entgiftungsbehandlung auf einer Intensivstation. Am 08.07.1999 wurde der Beigeladene auf die psychiatrische Station zurückverlegt. Hier wurden von der WKPP bis zum 31.12.1999 sowohl Rehabilitationsmaßnahmen wie auch Krankenhausbehandlungen durchgeführt. Am 13.07.1999 fand im Hinblick auf den Beigeladenen eine Therapiekonferenz statt. Diese hielt als Ergebnisse fest: Psychopathologische Erkrankung, depressive Symptomatik, Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit, Überforderung, Unsicherheit. Behandlungsziele seien die Reduktion der depressiven Symptomatik, der Aufbau einer tragfähigen Therapeuten-Patienten-Beziehung, Bearbeitung der Coping-Strategie. Ferner wurde die weitere Diagnose "Verdacht auf selbstunsichere Persönlichkeit" hinzugefügt. Ergebnisse der nächsten Therapiekonferenz am 27.07.1999 waren: Psychopathologisch deutliche Verschlechterung, deutliche Verschlechterung der depressiven Symptomatik und Untriebigkeit, Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit.

Den Unterlagen der Klinik ist zu entnehmen, dass bei dem Beigeladenen am 26.07.1999 eine Alkoholintoxikation von 1,91 Promille, und am 27.07. von 1,5 Promille festgestellt worden war.

Am 11.08.1999 erfolgte die Entlassung des Beigeladenen.

Die Beklagte trug die Kosten der stationären Behandlung des Beigeladenen vom 29.06.1999 bis 08.07.1999. Die Übernahme der Kosten der weiteren stationären Behandlung des Beigeladenen lehnte sie ab.

Der Kläger hat am 27.12.2001 Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben.

Zur Begründung hat er vorgetragen: Nach Rückverlegung des Beigeladenen auf die psychotherapeutische Station sei mit einer intensiven gesprächspsychotherapeutischen Behandlung begonnen worden. Eine antidepressive Medikation habe der Beigeladene abgelehnt. Der am 26.07.1999 erlittene Rückfall des Beigeladenen in die Alkoholkrankheit mache deutlich, dass im Hinblick auf die depressive Symptomatik sowie die fortwährend bestehende Gefahr eines erneuten Rückfalls die Notwendigkeit einer stetigen ärztlichen Überwachung bestanden habe. Eine derart intensive ärztliche und therapeutische Behandlung sei nur unter stationären Bedingungen möglich gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.710,80 EUR nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 25.12.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die stationäre Behandlung des Beigeladenen über den 08.07.1999 hinaus sei nicht erforderlich gewesen. Den Dokumentationsunterlagen des Krankenhauses sei kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass bei dem Beigeladenen eine schwerere depressive Erkrankung vorgelegen habe, die stationär habe behandelt werden müssen.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten nach Aktenlage des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M, Bad G, vom 08.11.2003 eingeholt. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme w...

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