Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. Regresse durch Prüfungsgremien wegen unzulässiger Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB). Prüfungsumfang. Frist für die Durchführung des Prüf- und Regressverfahrens. Haftung der Partner einer Gemeinschaftspraxis als Gesamtschuldner. aufgestellter Katalog der verordnungsfähigen Mittel durch Parteien der SSB-Vereinbarung ist abschließend. keine Verordnungsfähigkeit von koaxialen Interventionssets

 

Orientierungssatz

1. Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind in Nordrhein-Westfalen befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von SSB (Sprechstundenbedarf) festzusetzen.

2. Die Prüfung beschränkt sich nicht nur darauf, ob die Verordnungen dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen haben, sondern auch, ob Artikel verordnet worden sind, die als SSB nicht hätten verordnet werden dürfen.

3. Aus der Überschreitung der Frist von 12 Monaten nach Abschluss des Quartals gemäß § 15 Abs 2 der Prüfvereinbarung kann nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden.

4. Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahren ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regressverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (vgl ua BSG vom 18.8.2010 - B 6 KA 14/09 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 29)

5. Die Partner einer Gemeinschaftspraxis haften gegenüber Forderungen wegen unzulässigen SSB-Verordnungen als Gesamtschuldner im Sinne von BGB §§ 421 ff., und zwar auch nach ihrem Ausscheiden für Zeiträume ihrer Gesellschafterstellung.

6. Die Parteien der SSB-Vereinbarung haben einen - ggf. mit der wegen der Formulierung in Ziff IV.7 "insbesondere" bei Notfällen und Sofortanwendung möglichen Ausnahme - abschließenden Katalog der verordnungsfähigen Mittel aufgestellt, der mangels Regelungslücke einer erweiternden Auslegung unter teleologischen Gesichtspunkten oder einer Rechtsfortbildung nicht zugänglich ist.

7. Koaxiale Interventionssets nach den Bestimmungen des EBM (juris: EBM-Ä) sowie der SSB-Vereinbarung sind nicht verordnungsfähig (vgl BSG vom 20.10.2004 - B 6 KA 41/03 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 6) .

8. Die wirtschaftlichen Folgen von Falschabrechnungen bzw. rechtswidrigen Verordnungen treffen notwendig die Gemeinschaftspraxis. In diesem Zusammenhang kommt es auf vertretungs- und gesellschaftsrechtliche Fragen nicht an (vgl BSG vom 20.10.2004 - B 6 KA 41/03 R = aaO).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 14.12.2011; Aktenzeichen B 6 KA 57/11 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.02.2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Sprechstundenbedarfs(SSB)-Regresse für den Zeitraum der Quartale II/1997 bis III/1998 gegenüber dem Kläger als ehemaligem (Gründungs-)Mitglied der Gemeinschaftspraxis der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Radiologen Dr. X (Kläger), Dr. Q, T und Dr. E rechtmäßig sind. Der Kläger verzichtete zum 31.08.1998 auf seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, blieb aber zunächst als angestellter Arzt in der Gemeinschaftspraxis tätig. Die Gemeinschaftspraxis, zuletzt bestehend aus den Mitgliedern T und Dr. E, wurde zum 31.03.2002 aufgelöst. Rechtsnachfolger der Praxis ist Dr. E.

Auf den im November 1998 (für die Quartale II/1997 bis IV/1997) gestellten Antrag der Arbeitsgemeinschaft der Beigeladenen zu 1) bis 6) setzte der Prüfungsausschuss mit Beschluss vom 29.09.1999 gegen die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis einen Regress in Höhe von 1.671.770,75 DM (854.762,78 EUR) wegen unzulässiger SSB-Verordnungen und in Höhe von weiteren 61.152,93 DM (31.267,00 EUR) wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Volon A Ampullen für die Quartale II/1997 bis IV/1997 fest. Koaxiale Interventions Kanülen, BD Microlance Kanülen und Cubitainer Ultraschallgel seien mit der Gebühr für die entsprechende Leistung abgegolten. Spritzen, Dispomed Mini Spike, Dispo Spike, Ärztekrepp, Handdesinfektion (Sagrotan), Formalin und Aplokationssets gehörten zu den allgemeinen Praxiskosten. Die angeforderte Menge der Volon A Ampullen entspreche nicht dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Es gebe wesentlich preiswertere Alternativen zu diesem Präparat. 50 % der Kosten für diese Ampullen werde daher regressiert.

Auf den zweiten im April 1999 (für die Quartale I/1998 bis III/1998) gestellten Antrag der Arbeitsgemeinschaft der Beigeladenen zu 1) bis 6) setzte der Prüfungsausschuss gegen die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis mit Beschluss vom 29.09.1999 einen weiteren Regress in Höhe von 1.537.960,77 DM (786.346,81 EUR) für die Quartale I/1998 bis III/1998 fest. Medrad CT Injector Systeme, Koaxiale Interventions Sets, CO 2 Entwickler und Haemo Glucotests seien mit der Gebühr für die entsprechende Leistung abgegolten. Injektionsnadeln, Sterican, Spritzen, Omnifix-Spritzen, Verschlußstopfen von Braun, IN Sto...

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