Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz für einen Vertragsarzt gegen den Regress der Kassenärztlichen Vereinigung wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise

 

Orientierungssatz

1. Wendet sich der Vertragsarzt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Regressforderung der Kassenärztlichen Vereinigung wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise, so soll, ausgehend von dem grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses, die Vollziehung grundsätzlich nur dann ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Vertragsarzt eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

2. Trägt der Vertragsarzt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die für die geltend gemachte Praxisbesonderheit maßgeblichen und nur ihm bekannten Umstände nicht in nachvollziehbarer Weise vor, geht dies zu seinen Lasten. Die Prüfgremien sind ebenso wie das Gericht nur verpflichtet, ihnen bekannte oder von Amts wegen zu ermittelnde Umstände zu berücksichtigen.

3. Wegen des Regel-Ausnahmeverhältnisses kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung allenfalls dann in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn ohne einstweilige Regelung die berufliche Existenz gefährdet ist und die Existenzgefährdung nachvollziehbar auf der Rückzahlungsforderung beruht.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.08.2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 33.961,33 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Im Hauptsacheverfahren (S 33 KA 58/08 Sozialgericht (SG) Düsseldorf) ist streitig, ob und inwieweit der Beschluss des Antragsgegners vom 23.01.2008, einen Regress von 50.948,87 EUR für die Quartale 1/2005 bis 4/2005 wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise festzusetzen, rechtmäßig ist. Der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage herzustellen.

Der Antragsteller ist Facharzt für Allgemeinmedizin. Er ist in B niedergelassen und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Beschluss vom 17.10.2007 (Sitzung vom 29.08.2007) setzte der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise einen Regress in Höhe von 50.948,87 EUR fest. Der Widerspruch wurde durch Beschluss des Antragsgegners vom 26.03.2008 (Sitzung vom 23.01.2008) zurückgewiesen.

Mit Antrag vom 26.05.2008 hat der Antragsteller beim SG Düsseldorf um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er hat u.a. vorgetragen: Der Anordnungsgrund sei gegeben. Durch die Regressforderung werde er unmittelbar vom Konkurs bedroht. Die Schließung seines Praxisbetriebes sei zu befürchten. Der Regressbetrag übersteige bei Weitem den realistischerweise zu erwartenden Jahresgewinn. Dies gehe aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung für das Jahr 2007 hervor. Danach belaufe sich der Gewinn auf 33.113,47 EUR. Hiervon seien laufende Aufwendungen für Krankenversicherung (ca. 800,00 EUR/monatlich), für die Finanzierung des eigengenutzten Hauses sowie für die Tilgungsleistungen betrieblicher Darlehen (1500,00 EUR/monatlich) abzuziehen. Zudem sei er gegenüber seinen zwei bei ihm im Haushalt lebenden noch schulpflichtigen Kindern im Alter von 18 und 20 Jahren unterhaltspflichtig. Maximal könne er derzeit einen Betrag von ca. 1.500,00 EUR quartalsweise aufbringen. Ein Anordnungsanspruch sei gleichermaßen gegeben. Der angefochtene Bescheid leide an Begründungsmängeln. Der Antragsgegner hätte im Einzelnen darlegen müssen, warum der Vortrag zum Nachweis von Praxisbesonderheiten nicht ausgereicht habe. Auf eine vermeidliche Unsubstantiiertheit hätte hingewiesen werden müssen, um ihm - dem Antragsteller - die Möglichkeit zu geben, diese auszuräumen. Der angefochtene Bescheid sei auch materiell rechtswidrig. Die Überschreitung der Arzneimittelrichtgrößen sei nicht auf Unwirtschaftlichkeit sondern auf eine spezifische Praxis- und Patientenstruktur zurückzuführen. Das von ihm behandelte Patientengut weiche von dem einer Regelpraxis ab. Er behandele eine Vielzahl von Patienten mit einer oft schwierigen sozialen und/oder wirtschaftlichen Situation. Zudem würden bei dem ausländischen und überwiegend im Rentenalter befindlichen Patientenstamm kostenintensive Krankheitsbilder auftreten. Als Praxisbesonderheiten hätte der Antragsgegner im übrigen kostenaufwändige Krebspatienten, Migränepatienten sowie Verordnungen von Psychoanaleptika berücksichtigen müssen.

Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 07.04.2008 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26.03.2008 anzuordnen.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzulehnen

Er hat vorgetragen: Der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig. Erkennbaren Praxisbesonderheiten sei Rechnung getragen worden. Die Ausführungen des Antragstellers zum Anordnungsgrund seien unzureichend. Die behauptete Existenzgefährdung sei schon deswege...

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