Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung des Arbeitslosengeld II. subjektive Vorwerfbarkeit. Verletzung von Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung. Bestimmtheit. einstweiliger Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Im Rahmen der Sanktionsnorm des § 31 SGB 2 ist die subjektive Vorwerfbarkeit als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal wegen der strukturellen Ähnlichkeit zu den Sperrzeittatbeständen des § 144 Abs 1 S 2 SGB 3 und des Wortsinnes zu prüfen.

2. Die Obliegenheiten des Leistungsempfängers müssen in der Eingliederungsvereinbarung klar und eindeutig bestimmt sein. Vereinbarte Eigenbemühungen sind nach Art, Umfang, Zeit und Ort so zu konkretisieren, dass die Verletzungshandlung ohne Weiteres festgestellt werden kann. Eventuelle Unklarheiten gehen zu Lasten des für die Sanktionsentscheidung zuständigen Grundsicherungsträgers.

3. Bei erheblichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides überwiegt das Aufschubinteresse des Hilfebedürftigen gegenüber dem Vollzugsinteresse des Grundsicherungsträgers.

4. Im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes ist bezogen auf die existenzsichernde Regelleistung die Aufhebung der Vollziehung gem § 86b Abs 1 S 2 SGG anzuordnen, nicht jedoch auch bezogen auf den befristeten Zuschlag.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 06.07.2006 abgeändert. Die Vollziehung des Bescheides vom 16.05.2006 wird insoweit ausgesetzt, als die Antragsgegnerin das Arbeitslosengeld II um 30 v.H. der Regelleistung abgesenkt hat. Die Antragsgegnerin wird einstweilig verpflichtet, an den Antragsteller weiteres Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 104,00 Euro für den Zeitraum vom 01.06.2006 bis zum 31.08.2006 nachzuzahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde im Hinblick auf den geltend gemachten einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Antrags- und Beschwerdeverfahren. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin K, L-weg 00, F, bewilligt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Kürzung seiner Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Der 1957 geborene Antragsteller, der in der Vergangenheit u.a. als Programmierer und Redakteur arbeitete, ist seit dem Jahre 2003 arbeitslos und bezog daraufhin bis zum 04.09.2004 Arbeitslosengeld (Alg I), danach Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Auf seinen Antrag vom 30.09.2004 bewilligte ihm die Antragsgegnerin laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von insgesamt 881,37 Euro einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 376,37 Euro und eines Zuschlages nach § 24 SGB II.

Nach anfänglicher Weigerung schloss der Antragsteller mit der Antragsgegnerin unter dem 31.01.2006 eine Eingliederungsvereinbarung i.S.d. § 15 SGB II, die bis zum nächsten Einladungstermin gelten sollte. Nach Ziff. 1b wurden folgende Aktivitäten des Antragstellers zu seiner beruflichen Eingliederung vereinbart: "Vorlage von Eigenbemühungen (20 Nachweise pro Monat), Bewerbung bei T. als CCA".

Am 18.04.2006 stellte der Antragsteller einen Fortzahlungsantrag und legte vier Eigenbewerbungen und eine selbst gefertigte Auflistung seiner Eigenbemühungen vor. Mit Bescheid vom 20.04.2006 bewilligte die Antragsgegnerin sodann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2006. Dabei bezifferte sie den Leistungsanspruch für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.07.2006 auf 617,37 Euro und für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.08.2006 auf 801,37 Euro. Mit Bescheid vom selben Tag kürzte sie zum 01.05.2006 für einen Zeitraum von drei Monaten gestützt auf § 31 SGB II die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um 30 % der Regelleistung unter Wegfall des zwischenzeitlich auf 80,00 Euro reduzierten Zuschlages nach § 24 SGB II. Gegen die am 03.05.2006 zugestellten Bescheide legte der Antragsteller Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, die Absenkung sei im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung unter Missachtung der gesetzlichen Regelung des § 31 Abs. 6 SGB II erfolgt. Mit Abhilfebescheid vom 16.05.2006 hob die Antragsgegnerin "den angefochtenen Bescheid vom 03.05.2006" auf und zahlte die für den Monat Mai 2006 um den Betrag von 184,00 Euro herabgesenkten Leistungen an den Antragsteller nach.

Am selben Tag erteilte die Antragstellerin einen weiteren Bescheid, in dem sie wiederum die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 31 SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2006 bis zum 31.08.2006 unter Wegfall des befristeten Zuschlages um 30 % der Regelleistung herabsenkte. Zur Begründung führte sie aus, der Antragsteller habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die in der abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten nicht erfüllt, da er seine Eigenbemühungen nicht ausreichend nachgewiesen habe. Gründe, die ...

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