Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenhaus. Bestimmungsbescheid nach § 116b Abs 2 SGB 5. Begründung des Bescheides. formelle Fehlerhaftigkeit. drittschützende Funktion des § 116b Abs 2 SGB 5. Teilnahme des Vertragsarztes an vertragsärztlicher Versorgung. Verfassungsmäßigkeit. Gesetzgeber. Eingriff in die Wettbewerbsstrukturen der ambulanten Versorgung. Streitwertbestimmung

 

Orientierungssatz

1. Ohne Bestimmung nach § 116b Abs 2 SGB 5 ist das Krankenhaus für die Erbringung ambulanter Leistungen kein zugelassener Leistungserbringer. Hierzu ist zunächst dessen Eignung zu prüfen. Grundsätzlich ist die Eignung des Krankenhauses zu vermuten. Eine Nichteignung ist damit seitens der Zulassungsbehörde nachzuweisen.

2. Bedarfsplanerische Gesichtspunkte sind zu ermitteln und in den Abwägungsvorgang einzubeziehen. Qualitätsgesichtspunkte wie höhere Erfahrung und Routine im Krankenhaus sind mit der Gefahr abzuwägen, dass durch den eröffneten Wettbewerb zwischen Vertragsärzten und Krankenhaus die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Vertragsärzte im regionalen Einzugsbereich des jeweiligen Krankenhauses beeinträchtigt wird.

3. Die Bestimmung darf nur erfolgen, wenn die Behörde den hierzu maßgebenden Sachverhalt ermittelt und der Entscheidung einen vollständig und zutreffend aufgeklärten Sachverhalt zugrunde gelegt hat.

4. Die Bestimmungsbehörde hat ihre Erwägungen so zu begründen, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Eine fehlerhafte Begründung macht den ergangenen Bescheid formell rechtswidrig, aber nicht nichtig. Der Fehler kann geheilt werden. Die fehlende Begründung kann noch im Gerichtsverfahren nachgeholt werden.

5. Ist der Bestimmungsbescheid formell fehlerhaft und dieser Mangel weder im Widerspruchs- noch im Gerichtsverfahren geheilt, so kann der Bescheid dennoch nicht aufgehoben werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrens- oder Formvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

6. Der Vertragsarzt ist die zentrale Figur in der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Erbringung ambulanter Leistungen durch Dritte bleibt eine Ausnahme und ist nur in den gesetzlich geregelten Fällen zulässig. Damit hat die Vorschrift des § 116b Abs 2 SGB 5 drittschützende Funktion.

7. Die Teilnahme des Vertragsarztes an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung steht unter dem verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Berufsfreiheit nach Art 12 Abs 1 GG.

8. Mit der Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung hat der Gesetzgeber in die Wettbewerbsstrukturen der bislang im Wesentlichen dem vertragsärztlichen Sektor vorbehaltenen ambulanten Versorgung gesetzlich Versicherter eingegriffen. Der Drittschutz des § 116b Abs 2 S 1 SGB 5 greift dann zugunsten des Vertragsarztes, wenn sich ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme auf die vertragsärztliche Versorgung in einer Weise auswirkt, die über eine Verschärfung des Konkurrenzdrucks hinausgeht.

9. Zur Streitwertbestimmung bei einem Rechtsstreit über die Bestimmung eines Krankenhauses nach § 116b Abs 2 SGB 5.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners wird verworfen. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1) wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1) tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird auf 60.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen Bescheid zur Bestimmung eines Krankenhauses zur ambulanten Behandlung onkologischer Erkrankungen.

Die Antragstellerin ist eine onkologische Schwerpunktpraxis in E. Ihre drei Gesellschafter sind zur vertragsärztliche Versorgung zugelassen und "onkologisch verantwortliche Ärzte" nach der Onkologievereinbarung vom 01.10.2009.

Auf die Anträge vom 03.05.2007 und 19.03.2008 ließ die Bezirksregierung Düsseldorf die Beigeladene zu 1) mit Bescheid vom 28.12.2009 gemäß § 116b Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i. V. m. der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V i.d.F. vom 18.10.2005 (Bundesanzeiger 2006, Nr. 7, S. 88 vom 11.01.2006) in der jeweils geltenden Fassung zur Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen für nachfolgende Leistungsbereiche zu:

- Gastrointestinale Tumore und Tumore der Bauchhöhle

- Gynäkologische Tumore

- Kopf- und Halstumore

- Tumore des lymphatischen, blutbildenden Gewebes und schwere Erkrankungen der Blutbildung.

Den Widerspruch der Antragstellerin vom 16.04.2010 wies die Bezirksregierung mit Bescheid vom 10.06.2010 zurück. Der Widerspruch sei zwar zulässig, indessen nicht begründet. Die Bestimmung sei rechtmäßig. Das Einvernehmen mit den Krankenkassen sei angestrebt und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Diese habe mitgeteilt, dass die vertragsärztliche Versorgung ausreiche und es der ...

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