Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Übergangsregelungen während der COVID-19-Pandemie. Nichtberücksichtigung von Vermögen während der ersten 6 Monate sowohl bei Erst- als auch bei Weiterbewilligung. kein Verweis auf Darlehen

 

Orientierungssatz

1. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers zu Leistungen des SGB 2 die in § 67 Abs 2 S 1 SGB 2 angeordnete Nichtberücksichtigung von Vermögen für sechs Monate nur einmalig gilt und durch eine Bewilligung der Leistung verbraucht ist.

2. Damit gilt die Aussetzung der Vermögensberücksichtigung jeweils für die ersten sechs Monate eines Bewilligungszeitraums sowohl für Erst- als auch für Weiterbewilligungsanträge und auch für mehrere Anträge hintereinander.

3. Für die Dauer des Sechsmonatszeitraums ist auch eine nur darlehensweise Leistungsgewährung nach §§ 9 Abs 4, 24 Abs 5 SGB 2 ausgeschlossen. Insoweit können dem Leistungsberechtigten auch keine Verwertungsbemühungen abverlangt werden.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 06.01.2022 geändert und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab 01.12.2021 bis 31.03.2022 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen als Zuschuss zur gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen erstattungsfähigen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.

 

Gründe

I.

Streitig ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 01.12.2021.

Die am 00.00.1974 geborene Antragstellerin zu 1) lebt mit ihren Kindern, den Antragstellern zu 2) bis 4) und ihrem Ehemann in einer Doppelhaushälfte von 186m². Die Antragstellerin und ihr Ehemann sind gemeinsam und zu gleichen Teilen Eigentümer dieser Doppelhaushälfte. Der Ehemann der Antragstellerin zu 1) bezieht eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Nachdem die befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung der Antragstellerin zu 1) zum 31.12.2020 ausgelaufen war, beantragte und erhielt diese gemeinsam mit den Antragstellern zu 2) bis 4) durch Bescheid vom 19.04.2021 für die Zeit vom 01.02.2021 bis 31.07.2021 Leistungen nach dem SGB II von dem Antragsgegner. Laut Bescheid wurde Vermögen für die Dauer des Zeitraums wegen § 67 Abs. 2 SGB II nicht berücksichtigt.

Auf den Folgeantrag hin bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern mit Bescheid vom 04.10.2021 erneut Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.08.2021 bis 31.01.2022, jedoch als Darlehen gemäß § 24 Abs. 5 SGB II. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag wurden mit dem Leistungsbescheid zur Bewilligung des Darlehens Auflagen verbunden. Die Antragstellerin zu 1) und ihr Ehemann seien Eigentümer des Grundvermögens X Str. 6 in Rietberg. Mit der Gewährung des Darlehens sei eine Bewertung durch den Gutachterausschuss Kreis Gütersloh in Auftrag gegeben worden. Nach Vorlage des Gutachtens und der Feststellung des verwertbaren Vermögens sei die Antragstellerin zu 1) zur Verwertung des Vermögens verpflichtet und habe entsprechende Nachweise vorzulegen. Zum konkreten Zeitpunkt der Umsetzung dieser Auflage werde sie eine weitere Mitteilung erhalten. Unter Ziff. 2 enthielt der Bescheid die Aufforderung, das Darlehen im Grundbuch durch eine brieflose Grundschuld in Höhe von 6.000 Euro innerhalb eines Monats nach § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB II dinglich zu sichern. Als Termin war der 01.11.2021 angegeben. Mit Schreiben vom 03.11.2021 verlängerte der Antragsgegner die Frist bis zum 15.11.2021.

Mit Schreiben vom 18.11.2021 hörte der Antragsgegner die Antragsteller zum beabsichtigten Widerruf der Darlehensentscheidung ab 01.12.2021 an. Die Auflage zu Ziff. 2 sei nicht erfüllt worden.

Am 22.11.2021 legten die Antragsteller durch ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch gegen die Gewährung der Leistungen als Darlehen und die damit verbundenen Auflagen ein. Der Widerspruch sei weiterhin zulässig, insbesondere nicht verfristet, da die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig bzw. unvollständig gewesen sei und daher die Jahresfrist gelte. Das Hausgrundstück sei bei der Vermögensprüfung nicht zu berücksichtigen. Die Bundesagentur für Arbeit habe in den Weisungen zu § 67 SGB II explizit geregelt, dass eine selbstgenutzte Immobilie kein erhebliches Vermögen nach § 67 SGB II darstelle. Maßgeblich sei der Beginn des jeweiligen Bewilligungszeitraums; dies gelte sowohl für Erst- als auch für Weiterbewilligungsanträge und auch für mehrere Anträge hintereinander. Die Sechsmonatsfrist beginne also immer wieder neu, solange nur der Bewilligungszeitraum in dem in der Vorschrift geregelten Zeitraum beginne. Darüber hinaus sei das Hausgrundstück aber auch von angemessener Größe. Die Erkrankungen des Ehemannes machten ein gesondertes Schlafzimmer nötig. Insgesamt seien die Leistungen der Bedarfsgem...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge