Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Aufrechnung einer Erstattungsforderung des Grundsicherungsträgers gegen einen Leistungsanspruch des Grundsicherungsberechtigten

 

Orientierungssatz

1. Der Grundsicherungsträger kann nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB 2 gegen Ansprüche des Leistungsberechtigten aufrechnen, wenn sie als Erstattungsansprüche gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 SGB 2 i.V.m. § 50 SGB 10 bestandskräftig festgestellt sind.

2. Die Aufrechnung ist verfassungsgemäß (BSG Urteil vom 09.03.2016 - B 14 AS 20/15 R).

3. Voraussetzung einer zulässigen Aufrechnung ist, dass der Erstattungsanspruch im Zeitpunkt der Erklärung der Aufrechnung noch nicht verjährt war, §§ 50 Abs. 4, 52 Abs. 2 SGB 10.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 28.01.2021 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, das gegen einen Aufrechnungsbescheid gerichtet ist.

Die am 00.00.1958 geborene Klägerin ist verheiratet. Mit notariell beurkundeten Ehevertrag vom 13.10.1998 hat die Klägerin mit ihrem Ehemann Gütertrennung vereinbart. Der Ehemann der Klägerin ist 1951 geboren und bezieht derzeit aufstockend zu einer monatlichen Auszahlrente von rund 190 EUR Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII. Die Klägerin bezieht - aufstockend zu ihrem Erwerbseinkommen als Haushälterin (monatlich 479,40 EUR netto) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Mit insgesamt 5 Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 18.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2016 hob der Beklagte die Leistungsbescheide der Klägerin für den Leistungszeitraum 08.04.2009 bis 30.09.2011 auf und forderte von der Klägerin einen Betrag iHv insgesamt rund 11.800 EUR zurück, weil der Ehemann ein jährliches Einkommen iHv 7.665 EUR als Subunternehmer der Fa.Q nicht angegeben hatte. Gegen den Ehemann der Klägerin ergingen inhaltsgleiche Aufhebungs- und Erstattungsbescheide.

Die gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 18.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2016 gerichtete Klage bei dem Sozialgericht Köln (S 15 AS 4434/16) nahm die Klägerin am 07.08.2018 zurück.

Mit Beschluss vom 05.02.2019 rechnete der Beklagte die Erstattungsforderung aus den bestandskräftigen Bescheiden vom 18.09.2015 iHv 38,20 EUR (10 % des maßgeblichen Regelbedarfs) ab März 2019 mit den laufenden Regelbedarfen der Klägerin gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. SGB II auf.

Hiergegen legte die Klägerin am 12.02.2019 Widerspruch ein. Mit den Vorwürfen gegen ihren Ehemann habe sie nichts zu tun. Sie habe nichts von den Einkünften des Ehemanns gewusst. Außerdem erhob sie die Einrede der Verjährung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2020 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Erstattungsbescheide seien bestandskräftig und könnten nicht mehr angefochten werden. Der Beklagte hätte sogar monatlich mit 30 % des regelbedarfs (114,60 EUR) aufrechnen können. Eine Verjährung sei entsprechend § 50 Abs. 4 SGB X nicht eingetreten.

Hiergegen hat die Klägerin am 12.08.2020 Klage bei dem Sozialgericht Köln erhoben und für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe beantragt. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft.

Mit Beschluss vom 28.01.2021 hat das Sozialgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die bestandskräftigen Erstattungsbescheide seien gemäß § 77 SGG bindend. Eine Verjährung liege nach §§ 50 Abs. 4 Satz 3, 52 Abs. 2 SGB X nicht vor.

Gegen den Beschluss hat die Klägerin am 01.02.2021 "Einspruch" eingelegt, den sie - trotz gerichtlicher Aufforderung und Fristsetzung - nicht begründet hat.

II.

Das meistbegünstigend als Beschwerde ausgelegte Rechtsmittel der Klägerin ist zulässig aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren, weil ihre Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ein Rechtsschutzbegehren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen Rechtsfrage abhängt. Die Prüfung der Erfolgsaussichten für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Prozesskostenhilfe ist auch zu bewilligen, wenn in der Hauptsache eine Beweisaufnahme erforderlich ist und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer...

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