Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung

 

Orientierungssatz

1. Wegen ihres pauschalierenden und bedarfsdeckenden Charakters ist eine Erhöhung der Regelleistung nach § 20 SGB 2 im Hinblick auf einen Individualbedarf nicht möglich.

2. Nach § 21 Abs. 5 SGB 2 erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Diabetes mellitus 2, Bluthochdruck und Hypercholesterinämie erfordern nach den Mehrbedarfsempfehlungen in der Regel eine Vollkost, deren Beschaffung keine erhöhten Kosten verursacht. Der Mindestaufwand für eine Vollkost ist durch die Regelleistung gedeckt.

3. Dagegen kommt ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung im Einzelfall bei verzehrenden Erkrankungen mit erheblichen körperlichen Auswirkungen wie z. B. fortgeschrittenem Krebsleiden, HIV, AIDS, multipler Sklerose und schweren Verläufen entzündlicher Darmerkrankungen oder Erkrankungen mit einer gestörten Nährstoffaufnahme oder Nährstoffverwertung in Betracht.

4. Bei einem für den Bereich der Grundsicherung notwendigen preisbewussten Einkaufsverhalten ist einerseits die Vollkost mit ca. 4.- €. täglich zu finanzieren. Andererseits stehen einem Haushaltungsvorstand aus der Regelleistung für Nahrungsmittel und Getränke täglich 4,72 €. zur Verfügung.

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 22.09.2010 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Durch Bescheid vom 16.12.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 762,21 EUR mtl. (359,00 EUR Regelleistung + 403,21 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2010. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, dass gegen die Höhe der Regelleistungen nach dem SGB II verfassungsrechtliche Bedenken bestünden. Des weiteren erhielten nach § 21 Abs. 5 SGB II Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Ebenso sei die Versicherungspauschale zu gewähren. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 19.02.2010 hat der Kläger Klage erhoben.

Er hat vorgetragen, dass die Beklagte einen krankheitsbedingten Mehrbedarf wegen der Erkrankungen Diabetes Mellitus Typ II sowie chronischer Gastritis mit Hiatusinsuffizienz nicht anerkannt habe. Die Beklagte könne sich nicht auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge aus Jahr 2008 stützen. Diese Empfehlungen entfalteten keinerlei Bindungswirkung. Sie spiegelten auch nicht den tatsächlichen Bedarf im Krankheitsfall wieder. Bei den Empfehlungen handele es sich um kein antizipiertes Sachverständigengutachten. Im Übrigen mangele es an Aktualität. Weder die Angaben zu den Krankheiten, die mit einer Vollkost zu behandeln seien, noch die Empfehlungen zu den sonstigen Krankheiten basierten auf aktuellem Datenmaterial. Die Einlegung des Widerspruchs hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelsätze sei geboten gewesen. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - dass ein Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden sei, nur mit Wirkung für die Zeit nach Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückzunehmen sei und eine rückwirkender Aufhebung nur dann möglich sei, wenn vor der gerichtlichen Entscheidung ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X in Gang gesetzt worden sei - wäre der Kläger ohne Widerspruch nicht in den Genuss der Erhöhung gekommen, wenn das Bundesverfassungsgericht die Regelsätze in der Höhe abgeändert hätte. Deshalb habe die Beklagte insoweit die außergerichtlichen Kosten zu tragen.

Durch Beschluss vom 22.09.2010 hat das Sozialgericht Köln den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Hiergegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, dass er an einem Diabetes Mellitus Typ II, einer chronischen Gastritis und Asthma erkrankt sei. Aufgrund dieser Erkrankungen werde ein Mehrbedarf in Höhe von 114,19 EUR monatlich benötigt, weil der Ernährungsbedarfsberechnung ein höherer Energiebedarf zugrunde zu legen sei. Insoweit verweise er auf die der Beschwerdeschrift beigefügten Expertise über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich des täglichen Ernährungsbedarfs und der Veränderung des Ernährungsbedarfs bei Krankheit. Ausgehend von der in der Expertise angestellten Berechnung lägen die Kosten für eine gesunde Ernährung bei einem gesunden Menschen bei 6,48 EUR pro Tag. Je nach Schweregrad der Erkrankung erhöhe sich dieser Betrag entsprechend. Bei ihm müsse von einem täglichen Energiemehrbedarf von 20% ausgegangen werden, sodass tägliche Ernährungskosten in Höhe von 7,77 EUR entstünden. Im Regelsatz sei aber nur ein täglicher Bedarf von 3,94 EUR vorgesehen. Mithin bestehe ein Fehlbedarf in Höhe von 3,83 EUR täglich.

II.

Die Beschwerde ist un...

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