Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Arbeitslosen auf Gewährung eines Gründungszuschusses. Entschließungsermessen der Agentur für Arbeit

 

Orientierungssatz

Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können nach § 93 Abs. 1 SGB 3 einen Gründungszuschuss erhalten. Bei ihrer Entscheidung ist der Arbeitsagentur Entschließungsermessen eingeräumt. Ist nicht nachvollziehbar, dass für einen an einem Burnout leidenden Antragsteller nur eine selbständige Tätigkeit in Frage kommt und abhängige Beschäftigungen vollständig ausgeschlossen sind, so liegt keine Ermessensreduzierung auf Null vor. Damit ist es dem Gericht verwehrt, den Grundsicherungsträger im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zur Gewährung eines Gründungszuschusses zu verpflichten.

 

Tenor

Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.2018 werden zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird abgelehnt.

Kosten sind in diesem Rechtszug nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerden gegen den Beschluss des SG Dortmund vom 23.04.2018, mit dem es den Antrag auf vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung eines Gründungszuschusses nach § 93 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, haben keinen Erfolg. 1. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12.Aufl., § 128 Rn. 3d), wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B -, juris Rn. 6). Allerdings ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) und Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn - wie hier - die Gewährung existenzsichernder Leistungen im Streit steht. Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgen dabei Vorgaben für den Prüfungsmaßstab. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12 - juris Rn. 10, 12). a. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Das Bestehen eines Anspruches des Antragstellerin auf Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 93 SGB III ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht worden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können nach § 93 Abs. 1 SGB III zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Ein Gründungszuschuss kann gemäß § 93 Abs. 2 S. 1 SGB III geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer 1.bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 beruht, 2.der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3.ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt. Nach § 93 Abs. 1 u. 2 S. 1 SGB III ist der Agentur für Arbeit bei der Entscheidung über die Gewährung des Gründungszuschusses ein Ermessen in Form eines Entschließungsermessens eingeräumt (BSG, Beschluss vom 17.08.2012 - B 11 AL 40/12 B - juris Rn. 5; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.11.2017 - L 18 AL 158/16 - juris Rn. 20; Winkler, in: Gagel, SGB III, 69.EL, § 93 Rn. 63; Schmidt, in: BeckOK-SGB III, 48.Ed., § 93 Rn. 12). Die Antragsgegneri...

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