Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Bestattungskosten. Bestattungspflicht. Kostentragung durch einen nachrangig verpflichteten Dritten. Aufwendungsersatzanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Sieht sich eine nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Vorschriften (hier: § 8 Abs 1 BestG NRW - juris: BestattG NW) vorrangig bestattungspflichtige Person einem Aufwendungsersatzanspruch eines nachrangig verpflichteten Dritten aus Geschäftsführung ohne Auftrag ausgesetzt, weil Letzterer die Kosten der Bestattung getragen hat, bleibt diese Person iS des § 74 SGB XII verpflichtet und hat bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten gegen den Sozialhilfeträger (Anschluss an BGH vom 17.11.2011 - III ZR 53/11 = BGHZ 191, 325).

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 12.11.2019 abgeändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren ab dem 21.08.2019 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt L, C, beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgemäße Beschwerde der Klägerin vom 15.11.2019 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 12.11.2019, mit dem es den Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren gegen den die Übernahme von Bestattungskosten in Höhe von 2.434,00 EUR nach § 74 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 07.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2019 abgelehnt hat, ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

1.) Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung - (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann gegeben, wenn - bei summarischer Prüfung - eine gewisse Möglichkeit des Obsiegens in der Hauptsache - auch im Sinne eines Teilerfolges - besteht (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 73a Rn. 7 ff. m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht ist bei einer Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht frühestens der Zeitpunkt der Bewilligungs- und damit Entscheidungsreife des erstinstanzlichen Prozesskostenhilfegesuchs, spätestens aber der Entscheidung des Sozialgerichts (s. Senat, Beschl. v. 23.07.2013 - L 9 SO 225/13 B ER, L 9 SO 226/13 B -, juris Rn. 50 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des Ersten Senats v. 14.04.2010 - 1 BvR 362/10 -, juris Rn. 14; BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats v. 16.04.2019 - 1 BvR 2111/17 -, juris Rn. 25 m.w.N.).

Auf dieser rechtsmaßstäblichen Grundlage hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht wegen im Zeitpunkt der Entscheidung (12.11.2019) fehlender Erfolgsaussichten des Klageverfahrens gegen den o.a. Bescheid der Beklagten abgelehnt. Denn es spricht mehr dafür als dagegen, dass die Klägerin von der Beklagten die Übernahme von Bestattungskosten in Form der noch nicht gezahlten Friedhofsgebühren in Höhe von 2.434,00 EUR gemäß § 74 SGB XII verlangen kann.

Danach werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Verpflichteter ist derjenige, den die Kostentragungspflicht rechtlich notwendig im Verhältnis zu Dritten endgültig und damit vorrangig trifft (Senat, Beschl. v. 07.10.2016 - L 9 SO 414/16 B -, juris Rn. 6 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urt. v. 13.03.2013 - 5 C 2.02 -, juris Rn. 12). Dies ist wiederum der Fall, wenn er dazu erbrechtlich (§ 1968 BGB), unterhaltsrechtlich (§ 1615 BGB) oder nach dem Bestattungsgesetz NRW - (BestG NRW) verpflichtet ist. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin jedenfalls nach Maßgabe des öffentlichen Rechts, namentlich § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW hinsichtlich ihrer am 04.09.2017 verstorbenen Mutter bestattungspflichtig gewesen. Danach sind in der nachstehenden Rangfolge zur Bestattung verpflichtet Ehegatten, Lebenspartner, volljährige Kinder, Eltern, volljährige Geschwister, Großeltern und volljährige Enkelkinder (Hinterbliebene). Hiernach war die Klägerin insbesondere gegenüber ihrer Tante und Schwester ihrer verstorbenen Mutter, Frau N, vorrangig zur Bestattung verpflichtet. Ob die Klägerin auch in ihrer Eigenschaft als Alleinerbin ihrer Mutter die Kosten der Beerdigung als Nachlassverbindlichkeit nach § 1968 BGB zu tragen hatte oder ob die entsprechende Verpflichtung durch Abschluss des (zivilrechtlichen) Bestattungsvertrages und Begründung einer öffentlich-rechtlichen (Friedhofs-)Gebührenpflicht seitens ihrer Tante erlosche...

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