Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufiger Rechtsschutz in Zulassungssache

 

Orientierungssatz

Vorläufiger Rechtsschutz kann nicht schon vor der Entscheidung des Berufungsausschusses, sondern erst nach dessen Entscheidung gewährt werden (Fortführung: LSG Essen, 2002-09-04, L 10 B 2/02 KA ER, MedR 2003, 310; Entgegen: BSG, 2013-06-05, B 6 KA 4/13 B).

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 7) wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 30.04.2013 aufgehoben.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der durch das Sozialgericht (SG) Münster angeordneten sofortigen Vollziehung einer Zulassungsentscheidung des Zulassungsausschusses.

Das SG hatte mit Beschluss vom 30.04.2013 antragsgemäß die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses für Psychotherapie Westfalen-Lippe vom 25.04.2012 hinsichtlich der Zulassung des Antragstellers als Psychologischer Psychotherapeut mit hälftigem Versorgungsauftrag für den Praxissitz in N, V-straße 00 angeordnet.

Diese Entscheidung greift die Beigeladene zu 7) mit der Beschwerde an. Sie trägt u.a. vor: Der Antragsteller sei nicht rechtsschutzbefugt. Den Antrag auf sofortige Vollziehung vor dem Berufungsausschuss habe er zurückgenommen. Das SG habe mit dem angefochtenen Beschluss die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 25.04.2012 angeordnet. Stattdessen hätte es die sofortige Vollziehung der Entscheidung des Berufungsausschusses vom 29.10.2012 anordnen müssen.

Die Beigeladene zu 7) beantragt,

den angefochtenen Beschluss abzuändern und nach den in der 1. Instanz gestellten Anträgen zu erkennen.

Der Antragsteller ist dem entgegengetreten.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Streitakten Bezug genommen.

II.

Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

Vorläufiger Rechtsschutz kann nicht schon vor der Entscheidung des Berufungsausschusses, sondern erst nach dessen Entscheidung gewährt werden.

Hierzu hat der 10. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 04.09.2002 - L 10 B 2/02 KA ER - ausgeführt:

"Bis zum Inkrafttreten des 6. SGG-ÄndG zum 02.01.2002 (BGBl. I S. 2144 ff) war es umstritten, ob das Gericht auf Antrag auch Entscheidungen der Zulassungsausschüsse für sofort vollziehbar erklären konnte (bejahend: LSG Baden-Württemberg vom 25.02.1997 - L 5 Ka 252/97 eA-B und vom 0.12.1996 in MedR 1997, 141; LSG Schleswig-Holstein vom 14.10.1999 - L 4 B 60/99 KA ER; Stock in NJW 1999, 2702, 2704; verneinend: LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.07.1999 - L 11 B 37/99 KA -; vom 15.03.1994 - L 11 S 42/93 - sowie 26.01.1994 - L 11 S 25/93 -; hierzu auch Schiller in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2002, § 5 Rdn. 133 ff) ). Für einen einstweiligen Rechtsschutz in Zulassungs- und Ermächtigungssachen auch schon vor einer Entscheidung des Berufungsausschusses spreche das Gebot des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), effektiven Rechtsschutz zu gewähren (Stock aaO m.w.N.). Die verneinende Ansicht beruft sich demgegenüber darauf, dass kraft Gesetzes der einstweilige Rechtsschutz erst mit und nach einer Entscheidung des Berufungsausschusses eröffnet sei. Der Gesetzgeber habe es in Kenntnis der Lückenhaftigkeit der Regelungen zum einstweiligen Rechtsschutz im SGG versäumt, diese Lücken zu schließen und die Lückenfüllung weiterhin der Rechtsprechung überlassen. Soweit er - wie in §§ 96 Abs. 4, 97 Abs. 4 SGB V - nicht nur untätig geblieben, sondern den einstweiligen Rechtsschutz umreißende gesetzliche Regelungen getroffen habe, seien die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit daran gebunden (SG Köln vom 23.06.1999 - S 19 KA 43/99 -). Der Senat tritt dem hinsichtlich der Rechtslage vor Inkrafttreten des 6. SGG-ÄndG bei. Es unterliegt grundsätzlich nicht der Kompetenz der Gerichte, den einstweiligen Rechtsschutz contra legem zu erweitern. Vielmehr trifft den Gesetzgeber die Pflicht, etwaige Unzulänglichkeiten im einstweiligen Rechtsschutz durch entsprechende Neuregelungen aufzufangen. Unterlässt er dies, obgleich ihm bekannt ist bzw. sein muss, dass insbesondere Ermächtigungen wegen ihrer Befristung durch mehr oder weniger routinemäßig erhobene Widersprüche und Klagen jeweils über einen längeren Zeitraum blockiert werden können (hierzu der Antragsgegner im Schreiben vom 19.06.2002, vgl. auch Schiller aaO Rdn. 134), bestünde an sich gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Unterbleibt eine Gesetzesänderung dennoch, kann nur von einem bewussten Nichttätigwerden der für das Gesetzgebungsverfahren zuständigen Organe ausgegangen werden. Das 6. SGG-ÄndG führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Gesetzgeber hatte die Möglichkeit, die Rechtslage dahingehend klarzustellen, dass einstweiliger Rechtsschutz auch schon vor der Entscheidung des Berufungsausschusses gewährt werden kann. In diesem Zusammenhang wäre es nur erforderlich gewesen, § 97 Abs. 4 SGB V wie folgt zu ändern: "Zulassungs- und Berufungsausschuss können die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung im öffentliche...

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