Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter. Einkommenseinsatz. geringfügige Beschäftigung neben Altersrentenbezug. Freibetrag bei Erwerbstätigkeit. keine Erhöhung nach § 82 Abs 3 S 3 SGB 12. keine analoge Anwendung des § 11b SGB 2. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die Regelung des § 82 Abs 3 S 3 SGB 12 ermöglicht es dem Sozialhilfeträger, abweichend von Satz 1 in begründeten Fällen flexibel zu handeln. Die Vorschrift betrifft ausschließlich Einzelfälle und kann nicht darüber hinaus als gesetzgeberische Korrektur unterschiedlicher Freibetragsregelungen im SGB 2 und im SGB 12 angewandt werden.

2. Es ist auch nicht von Verfassung wegen geboten, § 82 Abs 3 S 3 SGB 12 iS einer nicht nur für Einzelfälle geltenden Vorschrift auszulegen und für alle ergänzende Grundsicherungsleistungen beziehenden Altersrentnerinnen mit Nebenverdienst einen höheren als in § 82 Abs 3 S 1 SGB 12 vorgesehenen Freibetrag anzuwenden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.04.2018; Aktenzeichen B 8 SO 24/16 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird im Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 21. November 2013 der Leistungsbetrag für Juli 2011 klarstellend geändert (832,58 € anstelle 539,11 €). Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherungsleistungen) für die Zeit von Juni bis Dezember 2011.

Die am 17. April 1946 geborene alleinstehende Klägerin bewohnt in Göttingen eine Wohnung, für die sie eine Miete incl. Nebenkosten von 305,35 € sowie Heizungskosten von 40,86 € zu entrichten hat. Sie verfügt über kein Vermögen. Vom 1. September 2010 bis zum 15. Juni 2012 war sie geringfügig beschäftigt und erzielte ein Bruttoarbeitsentgelt von 120,00 € monatlich (15 Stunden/Monat, Arbeitsleistung regelmäßig Mittwoch und Sonnabend). Jedenfalls bis zum 16. April 2011 erhielt sie von dem Beklagten, einer Optionskommune i.S. von § 6a SGB II, Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem SGB II, zuletzt in Höhe von 682,74 € monatlich (Bescheid vom 24. November 2010); ihr Arbeitsentgelt wurde dabei in Höhe von 16,00 € monatlich angerechnet. Mit Bescheid vom 16. Februar 2011 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover der Klägerin Altersrente ab dem 1. Mai 2011 in Höhe von 131,99 € monatlich, ab Juli 2011 in Höhe von 133,30 €. Die Rentenzahlung erfolgte erstmals für den Monat Mai 2011.

Am 25. Februar 2011 beantragte die Klägerin bei der Stadt Göttingen die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen. Die namens und im Auftrag des Beklagten handelnde Stadt Göttingen bewilligte ihr mit Bescheid vom 3. März 2011 Grundsicherungsleistungen für die Monate April bis Juni 2011. Dieser Bescheid wurde mit Bescheid vom 7. März 2011 aufgehoben und der Klägerin wurden für April bis Juni 2011 höhere Leistungen (April 2011: 299,18 €; Mai 2011: 618,38 €; Juni 2011: 486,39 €) bewilligt. Auch dieser Bescheid wurde (mit Bescheid vom 1. April 2011) aufgehoben und der Klägerin nunmehr Leistungen vom 1. April 2011 bis zum 31. Dezember 2011 bewilligt. Diesem Bescheid ist für den Monat April 2011 ein Leistungsanspruch von 310,65 € zu entnehmen; nach dem Berechnungsbogen stand einem Bedarf von 710,21 € (Regelbedarf 364,00 €, Kosten für Unterkunft und Heizung 346,21 €) ein anrechenbares Gesamteinkommen von 399,56 € (Einkommen aus SGB II-Leistung 364,00 € sowie nichtselbstständiger Arbeit 56,00 € abzgl. Freibetrag 15,24 € und Arbeitsmittel 5,20 €) entgegen. Für den Monat Mai 2011 weist der Bescheid einen Anspruch von 629,85 € aus (Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit 120,00 € abzgl. Freibetrag 34,44 € und Arbeitsmittel 5,20 €), für den Monat Juni 2011 einen Anspruch von 497,86 € (zusätzlich Einkommen Altersruhegeld von 131,99 €). Weiter heißt es in dem Bescheid: “Die für den zuletzt genannten Monat ausgewiesenen Leistungen werden Ihnen, vorbehaltlich evtl. Änderungen, auch für den restlichen Bewilligungszeitraum bis nunmehr 31.12.2011 gewährt.„

Nachdem der Klägerin mit Bescheid des Jobcenters vom 25. März 2011 Alg II bis Ende April 2011 bewilligt worden war, teilte die Klägerin ausweislich eines Vermerkes in der Verwaltungsakte der Stadt Göttingen vom 11. April 2011 mit, dass sie überzahlte 254,38 € an die Stadt überweisen werde. Mit Bescheid vom 11. April 2011 hob die Stadt sodann ihren Bescheid vom 1. April 2011 auf; bei ansonsten unveränderten Beträgen enthält der Bescheid für den Monat April 2011 den Betrag 0,00 €. Gegen diesen Bescheid sowie hinsichtlich des Monats April 2011 auch gegen den Bescheid vom 1. April 2011 erhob die Klägerin am 29. April 2011 Widerspruch. Ihr Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit dürfe wie im SGB II nur in Höhe von 16,00 € monatlich angerechnet werden. Die Regelung des § 82 Abs. 3 SGB XII sei im Hinblick auf die entsprechende Vorschrift in § 11b SGB II verf...

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