Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeldrecht. Einkommensermittlung. Bemessungszeitraum. Monate einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung. Ausklammerung nur bei Einkommensminderung. Arbeitslosigkeit. Bewerbungen auf Arbeitsstellen. hypothetischer Verlauf. Wahrscheinlichkeitsbetrachtung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge. mögliche Aushilfstätigkeiten ausreichend

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Bemessung des Elterngeldes ist ein Kausalzusammenhang zwischen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung und einer dadurch bewirkten Minderung des Erwerbseinkommens danach zu beurteilen, ob die Mutter ohne die Erkrankung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen und insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit einen höheren Verdienst erzielt hätte.

 

Orientierungssatz

Ein durch die Erkrankung bedingtes geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist bereits dann festzustellen, wenn die Mutter (hier: als Hotelfachfrau) ohne die Erkrankung in den betroffenen Monaten jeweils überhaupt ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt hätte (hier: auch durch Aushilfstätigkeiten).

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. April 2018 wird aufgehoben.

Der Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Region Hannover vom 10. März 2015 betreffend die Gewährung von Elterngeld für das Kind I. wird bezüglich der Berechnung der Höhe des Elterngeldes im 13. und 14. Lebensmonat geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Region Hannover vom 10. März 2015 betreffend die Gewährung von Elterngeld für das Kind J. wird bezüglich der Berechnung der Höhe des Elterngeldes geändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, die Höhe des Elterngeldes für die Betreuung des Kindes E. im 13. und 14. Lebensmonat sowie für die Betreuung des Kindes J. im 5. bis 12. Lebensmonat unter Zugrundelegung des Erwerbseinkommens der Klägerin im Zeitraum Mai 2013 bis April 2014 neu zu berechnen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für die Betreuung ihrer am 1. Oktober 2014 geborenen Zwillinge I. und J.. J. ist das ältere der beiden Kinder.

Die Klägerin ist gelernte Hotelfachfrau. Seit Dezember 2008 war sie als Restaurantleiterin in einem Hotel in Celle tätig. Ende 2012/Anfang 2013 traten am Arbeitsplatz durchgreifende Schwierigkeiten auf; die Klägerin sah sich einer Mobbingsituation ausgesetzt. Die Arbeitgeberin ordnete eine Versetzung an einen wohnortfernen neuen Arbeitsplatz an.

Vom 15. Januar 2014 bis zum 12. Februar 2014 war die Klägerin hausärztlicherseits aufgrund eines HWS-Syndroms, einer Myogelose der Schulter-Nacken-Muskulatur sowie infolge arbeitsplatzbedingter Schwierigkeiten arbeitsunfähig geschrieben.

In dem seinerzeit von der Klägerin eingeleiteten arbeitsgerichtlichen Verfahren (Arbeitsgericht Celle 1 Ga 1/14) schlossen die Klägerin und ihre damalige Arbeitgeberin am 11. Februar 2014 einen Vergleich, demzufolge das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 30. April 2014 beendet worden ist. Die Arbeitgeberin hat sich in diesem Vergleich zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 6.000 € brutto verpflichtet und die Klägerin zugleich für den Fall der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von weiteren Arbeitsleistungen freigestellt.

In den folgenden Wochen bewarb sich die Klägerin, die entsprechend dem Vergleich bis April 2014 ihr bisheriges Gehalt (zuzüglich der Abfindung) weiterhin bezogen hat, bei in Betracht kommenden neuen Arbeitgebern, im Zuge dieser Bewerbungsbemühungen arbeitete sie im April 2014 einmal zwei Tage und weiteres Mal einen Tag bei einem potentiellen neuen Arbeitgeber zur Probe.

Am 17. April 2014 stellte die Frauenärztin Dr. K. eine Zwillingsschwangerschaft fest. Diese gelangte zu der Einschätzung (vgl. ihre vom Senat eingeholte Auskunft vom 5. Juli 2018), dass es sich um eine Risikoschwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für eine Fehl- bzw. Frühgeburt handelte, wobei eine Zunahme dieses Risikos bei körperlichen Belastungen zu erwarten war. Auf der Grundlage dieser Einschätzung sprach sie mit Wirkung vom 1. Mai 2014 für die verbleibende Dauer der Schwangerschaft ein Verbot jeglicher weiteren beruflichen Tätigkeit aus; zugleich empfahl sie der Klägerin auch für den Bereich der privaten Lebensgestaltung eine körperliche Schonung.

Dementsprechend war die Klägerin im weiteren Verlauf der Schwangerschaft ab Mai 2014 nicht mehr beruflich tätig; sie bezog von Mai bis September 2014 Krankengeld von Seiten der Krankenkasse.

Vom 1. Oktober bis zum 4. Februar 2015 bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld.

Nach der damaligen Rechtslage stand Eltern von Zwillingen, sofern bezogen auf beide Zwillinge jeweils die weiteren Anspruchsvoraussetzungen für Elterngeld erfüllt waren, für jedes Kind Elterngeld in gesetzlichem U...

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