Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 3102. Infektionskrankheit: Borrelieninfektion. Einwirkung. konkreter Zeckenstich. kein Nachweis im Vollbeweis. abstrakte Infektionsgefahr. Waldgebiet mit regional erhöhtem Zeckenbefall. Erzieherin in einem Waldkindergarten

 

Orientierungssatz

Für die Anerkennung einer Lyme-Borreliose als Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 3102 genügt es nicht, wenn zwar wegen der Tätigkeit als Erzieherin in einem Waldkindergarten und des in dem dortigen Waldgebiet vermehrten Vorkommens von mit Borrelien infizierten Zecken eine abstrakte Infektionsgefahr bestand, aber ein konkreter Zeckenbiss im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht feststellbar ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.03.2023; Aktenzeichen B 2 U 2/21 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 28. April 2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die im Wege der Klageerweiterung erhobene Untätigkeitsklage der Klägerin wird abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob bei der Klägerin eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV, von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten, im Folgenden BK 3102) anzuerkennen ist.

Die im Jahre 1961 geborene Klägerin hat 3 Jahre Humanmedizin studiert und im Anschluss die Berufe der Erzieherin und Physiotherapeutin erlernt. In der Zeit vom 1. Januar 1999 bis 30. Juni 2000 arbeitete sie als Erzieherin im Waldkindergarten I. Im Anschluss war sie ab Mai 2003 als Physiotherapeutin auf Borkum tätig.

Am 4. Juni 2008 beantragte die Klägerin die Anerkennung der bei ihr bestehenden Lyme-Borreliose   als BK: Am 27. Mai 2008 seien bei ihr durch eine Hautbiopsie Borrelien   nachgewiesen worden (vgl. Arztbrief der Dr. Heine vom 27. Mai 2008). Die Infektion mit Borrelien   führe sie auf ihre Tätigkeit im Zeitraum 1. Januar 1999 bis 30. Juni 2000 im Waldkindergarten I. zurück. Dieses Waldgebiet sei sehr stark mit Zecken belastet gewesen. Zwar habe sie damals an ihrem Körper trotz Absuchens keine festgesaugte Zecke entdeckt und auch keine Wanderröte feststellen können. Dies schließe jedoch nicht aus, dass sie damals von einer Zecke mit Borrelien   infiziert worden sei. Hierfür spreche auch, dass sie im Frühjahr 1999 an leichtem Fieber, Mattigkeit, Kopfschmerzen, Nackensteife etc. gelitten habe. Zwar sei im Klinikum J. in den Jahren 2004, 2005, 2006 und 2007 die Diagnose „Neuro-Borreliose“ ausgeschlossen worden. Diese Bewertung sei jedoch fehlerhaft zustande gekommen. Die Beklagte leitete daraufhin ein Feststellungsverfahren zu der BK 3102 ein. In diesem Zusammenhang übersandte die Klägerin ihr Schreiben vom 25. Juni 2008, wonach sie in den 70er- und 80er Jahren, als sie in Konstanz am Bodensee gewohnt habe, mehrmals Zeckenstiche erlitten habe. Nach ihrer Erinnerung habe sie derartige Zeckenstiche in der Freizeit zuletzt 1991 und 1992 erlitten. Darüber hinaus legte die Klägerin diverse medizinische Unterlagen (u. a. Entlassungsberichte des K.-Krankenhauses J. vom 19. Februar 2004 und 21. Dezember 2007, Stellungnahmen des Prof. Dr. L. vom 19. April 2004 und 21. Dezember 2007, Befundbericht der Dr. M. vom 17. Juli 2006, Arztbriefe des Dr. N. vom 7. Januar 2008, 22. April 2008 und 13. Mai 2008, Arztbrief der Dr. O. vom 5. Februar 2008, Befundberichte des Dr. P. vom 19. März 2008 und 28. März 2008, Laborblatt der Dr. Q. vom 6. Mai 2008, Arztbriefe des Dr. R. vom 2. und 11. April 2008, Arztbrief des Dr. S. vom 30. Mai 2008) vor, die sie ausführlich kommentierte. Die Beklagte holte   darüber hinaus die Stellungnahme des Prof. Dr. L. vom 5. August 2008 sowie die Befundberichte der Dr. O. vom 15. September 2008 sowie der Dr. T. vom 2. November 2008 ein und zog die über die Klägerin im K.-Krankenhaus vorliegenden medizinischen Unterlagen bei. Daneben holte sie die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. U. vom 27. August 2008 ein, wonach bei der Klägerin keine Borreliose vorliege, weitere Ermittlungen nicht erforderlich seien. Weiterhin holte sie die Stellungnahme der Waldwichtel I. e. V. (Träger des Waldkindergartens I.) vom 23. September 2008 und die Stellungnahmen der Staatlichen Gewerbeärztin V. vom 9. Oktober 2008 und 9. Dezember 2008 ein. Im Anschluss lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Februar 2009 die Anerkennung der BK 3102 für die Klägerin ab, weil bei der Klägerin eine Neuro-Borreliose nicht erwiesen sei. Selbst wenn man das Vorliegen einer entsprechenden Erkrankung bei der Klägerin unterstellen wollte, sei nicht bewiesen, dass die Klägerin sich die Erkrankung bei der Tätigkeit als Erzieherin zugezogen habe.

Der hiergegen erhobene Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2009).

Hiergegen hat die Klägerin am 14. Juli 2009 vor dem Sozialgericht (SG) Aurich Klage erhoben und ihr Begehren bekräftigt.

Die Beklagte ist dem...

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