Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitssuchende. sofortige Vollziehbarkeit von Aufhebungs- und Rücknahmebescheiden. keine sofortige Vollziehbarkeit von Rückforderungsbescheiden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 39 Nr 1 SGB 2 gilt für Verwaltungsakte, mit denen über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose entschieden wird, unabhängig davon, ob es sich um eine Entscheidung für künftige oder vergangene Bewilligungszeiträume handelt. Er umfasst daher auch eine Rücknahme (§ 45 SGB 10) oder Aufhebung (§ 48 SGB 10) von Bewilligungsbescheiden für die Vergangenheit.

2. Die als Folge einer solchen Rücknahme oder Aufhebung nach § 50 SGB 10 vorgesehene Ermächtigung zur Rückforderung ausgezahlter Geldleistungen ist auf die Erstattung einer rechtsgrundlos gewordenen Leistung ohne bestehende Verknüpfung mit einem bestimmten Leistungsgrund gerichtet. Ein auf § 50 SGB 10 gestützter Rückforderungsbescheid ist daher kein Bescheid, mit dem über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose entschieden wird. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen solchen Rückforderungsbescheid wird durch § 39 Nr 1 SGB 2 nicht berührt.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 22.Februar 2006 wird wie folgt geändert: Es wird festgestellt, dass die Klage des Beschwerdegegners gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beschwerdeführerin vom 24.Oktober 2005 insoweit aufschiebende Wirkung entfaltet, als sie sich gegen die Rückforderung des von Januar bis Mai 2005 gewährten Arbeitslosengeldes II richtet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner dessen notwendige außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die aufschiebende Wirkung einer Klage, die der Beschwerdegegner gegen einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beschwerdeführerin erhoben hat.

Der Beschwerdegegner bezog von der Beschwerdeführerin seit dem 1. Januar 2005 laufende Leistungen nach dem SGB II für sich und seine Ehefrau. Aufgrund einer Mitteilung des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen L., nach der der Beschwerdegegner in den 1990er Jahren bei verschiedenen türkischen Banken insgesamt 330.000,00 DM zu zweistelligen Zinssätzen angelegt habe, hob die Beschwerdeführerin nach Anhörung des Beschwerdegegners zunächst mit Bescheid vom 21. Juni 2005 die Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab 1. Juni 2005 auf und stellte ihre laufenden monatlichen Zahlungen mit Ablauf des Monats Mai 2005 ein, wogegen der Beschwerdegegner am 7. Juli 2005 Widerspruch erhob. Nach nochmaliger Überprüfung und erneuter Anhörung des Beschwerdegegners nahm die Beschwerdeführerin sodann mit weiterem “Rücknahme- und Erstattungsbescheid" vom 24. Oktober 2005 die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. Januar 2005 unter Berufung auf § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB X von Anfang an zurück und forderte unter Hinweis auf § 50 SGB X die Rückzahlung der von Januar bis Mai 2005 gezahlten Leistungen in einer Gesamthöhe von 3.166,60 Euro. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2005 zurück, wobei sie ihren “Rücknahme- und Erstattungsbescheid" mit einbezog. Am 28. November 2005 hat der Beschwerdegegner zum Aktenzeichen S 31 AS 79/05 des Sozialgerichts Lüneburg Klage erhoben, mit der er die Aufhebung der Bescheide vom 21. Juni 2005 und 24. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005 sowie die Verurteilung der Beschwerdeführerin zur Weitergewährung von Leistungen für die Zeit ab 1. Juni 2005 begehrt.

Dem weiterhin am 23. Januar 2006 sinngemäß gestellten Antrag des Beschwerdegegners, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. festzustellen, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 22. Februar 2006 insoweit entsprochen, als es die aufschiebende Wirkung der Klage festgestellt hat, soweit sich diese gegen die mit Bescheid vom 24. Oktober verfügte Aufhebung von Bewilligungen für die Vergangenheit und die Rückforderung bereits erbrachter Leistungen richtet.

Hiergegen richtet sich die von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II erfasse nach der in der Kommentarliteratur herrschenden und sachlich zutreffenden Auffassung nicht lediglich die Einstellung bewilligter Leistungen für die Zukunft, sondern auch eine Aufhebung von Bewilligungen für die Vergangenheit und die Rückforderung ausgezahlter Leistungen.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 23. Januar 2006 insoweit aufzuheben, als darin die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2005 festgestellt word...

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