Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. Schülerbeförderung. Fahrkosten für Kindergartenbesuch

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 28 Abs 4 SGB II umfasst nicht die Übernahme von Fahrkosten für den Besuch eines Kindergartens oder einer Kindertagesstätte.

2. Ein Anspruch nach § 28 Abs 4 SGB II setzt voraus, dass tatsächlich Aufwendungen für die Beförderung entstanden sind.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Im Streit steht die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine Beförderung zum Kindergarten im Jahr 2015.

Die am 23. September 1974 geborene Klägerin zu 1. und ihre am 23. Dezember 2008 geborene Tochter, die Klägerin zu 2., stehen beim Beklagten seit längerem im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Für den strittigen Leistungszeitraum sind folgende Bewilligungsbescheide ergangen:

Bescheid vom 9. Oktober 2014, Änderungsbescheid vom 1. Dezember 2014, Änderungsbescheid vom 16. Dezember 2014 (Leistungszeitraum 1. November 2014 bis 30. April 2015)

Bescheid vom 28. April 2015, Änderungsbescheide vom 16. Juni 2015, Änderungsbescheid vom 16. Oktober 2015 (Leistungszeitraum 1. Mai bis 31. Oktober 2015)

Bescheid vom 16. Oktober 2015 und Änderungsbescheid 3. November 2015 (Leistungszeitraum 1. November 2015 bis 30. April 2016).

Mit Schreiben vom 7. Dezember 2014 beantragte die Klägerin zu 1. die Kostenübernahme für eine Monatskarte zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für die Klägerin zu 2. Sie berief sich insoweit auf § 28 Abs. 4 SGB II und teilte mit, dass die Klägerin zu 2. den Kindergarten in der I. in J. besuche. Dieser liege sechs Haltestellen von ihrer Wohnung entfernt. Nach einem Umzug sei ihnen von der Stadt dieser Platz im Kindergarten zugewiesen worden. Es handele sich damit um den “nächstgelegenen„ Kindergarten. Am 23. Dezember 2014 werde die Klägerin zu 2. sechs Jahre alt und habe keinen Anspruch mehr auf eine kostenlose Beförderung. Insofern entständen sodann monatliche Kosten von 24,30 €, die nicht aus dem Regelsatz erbracht werden könnten.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2014 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die beantragte Sonderleistung sei durch den gewährten Regelbedarf abgedeckt und stelle keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes dar. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 2. Januar 2015 Widerspruch ein. Es bestehe ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für das Stadtticket, da der Weg zum Kindergarten nicht anders bewältigt werden könne und es sich hierbei um eine Maßnahme zur Teilhabe handele. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2015 als unbegründet zurück. Ein Anspruch folge insbesondere nicht aus § 23 Abs. 4 (gemeint: Nr. 4) SGB II analog, da dieser nur einen Mehrbedarf wegen Behinderung regele. Die Klägerin zu 1. und die Klägerin zu 2. seien als Leistungsberechtigte nach dem SGB II berechtigt, das ermäßigte Stadtticket zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu erwerben. Das begehrte Kinderstadtticket koste in 2014 monatlich 24,30 € und ab 2015 monatlich 26,70 €. Die nicht ermäßigte Schülermonatskarte würde demgegenüber 44,00 € kosten. Die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel werde somit durch das Kinderstadtticket um monatlich 17,30 € ermäßigt ermöglicht. Durch diese Ermäßigung seien die Kosten für die Beförderung vertretbar und stellten keinen unabweisbaren Bedarf dar. Sofern die Klägerin zu 2. in 2015 erstmalig die Schule besuche, könne ab dem Schulbesuch ein Anspruch nach § 28 Abs. 4 SGB II auf Übernahme der Aufwendungen für die Schülerbeförderung bestehen. Diese Vorschrift gelte jedoch nicht für die Beförderungskosten zum Kindergarten.

Hiergegen hat die Klägerin am 18. März 2015 Klage beim Sozialgericht (SG) Bremen erhoben und die Übernahme der Kosten für ein Kinderstadtticket begehrt. Der Besuch einer Vorschule oder eines Kindergartens sei zur Teilhabe wünschenswert. Damit komme eine analoge Anwendung zur Förderung der Bildung und Herstellung von Chancengleichheit in Betracht.

Mit Gerichtsbescheid vom 5. September 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein Kinderstadtticket für die Klägerin zu 2. bestehe nicht. Insbesondere ergebe sich ein solcher Anspruch nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 28 Abs. 4 SGB II. Danach würden bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsganges auf Schülerbeförderung angewiesen seien, die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen würden und der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden könne, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Als zumutbare Eigenleistung gelte i. d. R. ein Betrag i. H. v. 5,00 € monatlich. Das Gericht habe bereits Zweifel, ob die tatsächlichen Voraussetzungen des § 2...

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