Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld. Zugehörigkeit des volljährigen Kindes zur Haushaltsgemeinschaft der Mutter, aber zu einer anderen Bedarfsgemeinschaft. Betreuung eines unter 6 Jahre alten eigenen Kindes durch das volljährige Kind. Zurechnung des Kindergeldes als Einkommen der kindergeldberechtigten Mutter auch bei Weiterleitung an das volljährige Kind

 

Orientierungssatz

1. Kindergeld für ein volljähriges, nicht zur Bedarfsgemeinschaft des Grundsicherungsberechtigten gehörendes, aber in deren mütterlichen Haushalt lebendes Kind ist der kindergeldberechtigten Mutter zugeordnet und bei dieser nach § 11 Abs 1 S 5 SGB 2 als Einkommen zu berücksichtigen (Anschluss an BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 78). § 9 Abs 3 SGB 2 schließt eine Anrechnung aufgrund einer bestehenden Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs 5 SGB 2 aus.

2. Dabei ist es unerheblich, wenn die Mutter das Kindergeld an ihr Kind weitergegeben hat. Die Weitergabe des bei der Mutter zu berücksichtigenden Kindergeldes an ihr Kind begründet bei diesem keine neue Einkommenszuordnung (Anschluss an BSG vom 17.7.2014 - B 14 AS 54/13 R = BSGE 116, 200 = SozR 4-4200 § 7 Nr 37).

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Entscheidung über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 7. Oktober 2020 (S 16 AS 1823/19) aufgehoben.

Der Klägerin wird für das Klageverfahren S 16 AS 1823/19 vor dem Sozialgericht Hannover ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin G., H., bewilligt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das von ihr vor dem Sozialgericht (SG) Hannover geführte und durch Gerichtsbescheid abgeschlossene Klageverfahren S 16 AS 1823/19. Die dagegen eingelegte Berufung wird unter dem Aktenzeichen (Az.) L 9 AS 623/20 geführt. In dem zugrundeliegenden Klageverfahren stritten die Beteiligten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens um höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum Januar bis Juni 2018, weil die Klägerin für diesen Zeitraum einem Rückforderungsanspruch der Familienkasse ausgesetzt ist.

Die 1997 geborene Klägerin lebt mit ihrer im September 2017 geborenen Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft. Beide wohnen nach den Angaben der Klägerin im mütterlichen Haushalt. Bis zur Geburt ihres eigenen Kindes bildete die Klägerin nach ihren Angaben eine Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter I., die - soweit ersichtlich - schon seit längerem im Leistungsbezug nach dem SGB II beim Beklagten gestanden hat. Ab August 2016 befand sich die Klägerin nach ihrem Vortrag in einem Ausbildungsverhältnis und ihre Mutter bezog für sie (als Kindergeldberechtigte, vgl. Rückforderungsbescheid der Familienkasse vom 28. August 2018, Bl. 84 ff. des Ausdrucks der elektronischen Verwaltungsakte - eVA) das Kindergeld von der Familienkasse, ab Januar 2018 in Höhe von 194 Euro monatlich. Allerdings bezog die Klägerin nach ihren Angaben nach der Geburt der Tochter Elterngeld und führte die Ausbildung bis zum Sommer 2018 nicht aktiv fort. Ihr wurde für ihre Tochter ebenfalls Kindergeld gewährt. Der Beklagte bewilligte der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin auf ihren erstmalig für sich und ihre Tochter gestellten Antrag die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum 6. September 2017 bis 31. August 2018 unter Anrechnung von Kindergeldeinkommen auf ihren sowie nochmals auf den Bedarf der Tochter (Bescheid vom 25. Oktober 2017, Bl. 36 ff. der Verwaltungsakte des Beklagten - VA; Regelbedarfsanpassung mit Änderungsbescheid vom 25. November 2017).

Im September 2018 meldete sich die Klägerin beim Beklagten und bat um Neuberechnung der Leistungen für den Zeitraum Dezember 2017 bis Juni 2018, weil die Kindergeldkasse, von ihr Leistungen für den o.g. Zeitraum in Höhe von insgesamt 1.356 Euro zurückverlangen würde (Antrag vgl. Bl. 83 eVA; Rückforderungsbescheid der Familienkasse Niedersachsen-Bremen vom 28. August 2018 gegenüber der Mutter der Klägerin im Hinblick auf das ihr gezahlte Kindergeld für die Klägerin: Bl. 84 ff. eVA). Daraufhin erließ der Beklagte den Änderungsbescheid vom 27. September 2018, mit dem ab Juli 2018 die SGB II-Leistungen ohne Anrechnung von Einkommen (Kindergeld) auf den Bedarf der Klägerin bewilligt wurden. Der Bescheid hob die in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheide vom 25. Oktober 2017, 25. November 2017, 11. Juni 2018 (Anrechnung von Elterngeld), 13. Juni 2018 (Anrechnung einer Nachzahlung von Unterhaltsvorschussleistungen für Juli 2018), 24. Juli 2018 (Anrechnung von Betriebskostenguthaben für August 2018) insoweit auf. Mit einem Bescheid desselben Datums wurden der Klägerin zudem auf ihren Weiterbewilligungsantrag Leistungen für den Folgezeitraum (September 2018 bis August 2019) ohne Anrechnung v...

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