Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Steuerrückerstattung. Verteilung einmaliger Einnahmen. vorzeitiger Einkommensverbrauch. nicht bereite Mittel. Rechtsänderung zum 1.4.2011. keine Übertragbarkeit der bisherigen Rechtsprechung des BSG auf das neue Recht

 

Leitsatz (amtlich)

Soweit das Bundessozialgericht (BSG) für die Verteilung einmaliger Einnahmen nach früherem Recht (§ 2 Abs 4 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld Verordnung - Alg IIV - in der bis zum 31.3.2011 gültigen Fassung; juris: AlgIIV 2008) bereits mehrfach entschieden hat, dass die Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme in einem Verteilzeitraum nicht mehr in Betracht komme, wenn diese nicht mehr als bereites Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu Verfügung stehe (vgl BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R = BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 62 und vom 12.12.2013 - B 14 AS 76/12 R = Terminbericht Nr 60/13 vom 13.12.2013), ist diese Rechtsprechung auf die aktuelle Rechtslage nicht übertragbar, da die Verteilung einer einmaligen Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten und die monatliche Berücksichtigung mit einem Teilbetrag nunmehr im SGB 2 (§ 11 Abs 3 S 3) gesetzlich geregelt ist. Hierbei handelt es sich um geltendes Recht, welches solange anzuwenden ist, wie es nicht vom Gesetzgeber korrigiert oder vom Bundesverfassungsgericht - etwa im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle nach Art 100 Abs 1 GG - für nichtig erklärt wird.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 9. Oktober 2013 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. in I. bewilligt. Ratenzahlung wird nicht angeordnet.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Osnabrück vom 9. Oktober 2013 ist zulässig, insbesondere überschreitet der Beschwerdewert den für die Statthaftigkeit der Beschwerde gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) maßgeblichen Schwellenwert von 750,00 €. Mit der für den Zeitraum vom 26. September bis 30. November 2013 erlassenen einstweiligen Anordnung hat das SG den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Leistungen als Darlehen in Höhe von insgesamt 760,00 € zu zahlen. Für die Beschwerde ist auch ein Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen, obwohl der Antragsgegner die einstweilige Anordnung ausgeführt hat, der Anordnungszeitraum zwischenzeitlich abgelaufen ist und die vorläufig zuerkannten Leistungen ohnehin nur darlehensweise zu erbringen gewesen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann das Rechtsschutzbedürfnis für eine gegen die Verpflichtung zur vorläufigen Leistungsgewährung gerichtete Beschwerde eines Grundsicherungsträgers, der - wie hier - den angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, nicht mit der Begründung verneint werden, dass über die endgültige Leistungsverpflichtung erst im Hauptsacheverfahren entschieden werden könne. Denn ein Rechtsschutzinteresse des Leistungsträgers gegen seine Verpflichtung zur vorläufigen Leistungsgewährung kann sich daraus ergeben, dass er die vorläufig erbrachten Leistungen für den Fall der Aufhebung der einstweiligen Anordnung durch das Beschwerdegericht sofort zurückfordern kann und dann nicht den rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens abwarten muss (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Oktober 2009 - L 15 AS 327/09 B ER - Rn. 10). Eine von diesem Grundsatz abweichende Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses für die Beschwerde ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass die vom SG getroffene vorläufige Regelung nur die Gewährung eines Darlehens zum Gegenstand hat, welches ohnehin der Rückzahlungspflicht unterliegt, ohne dass diese vom rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens abhängig wäre. Denn für die im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II stehenden Antragsteller hat der Antragsgegner die Regelung des § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II zu beachten. Nach dieser Vorschrift werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs getilgt. Demgegenüber hätte der Antragsgegner für den Fall der Aufhebung der einstweiligen Anordnung im Beschwerdeverfahren einen Erstattungsanspruch hinsichtlich der vorläufig ausgezahlten Leistungen nach § 50 Abs. 2 SGB X (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Auflage 2012, § 86b Rdnr. 22, 45), der ihm gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 2. Alt. SGB II eine Aufrechnung in Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs ermöglichen würde.

Die danach zulässige Beschwerde ist auch begründet.

Zu Unrecht hat das SG den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Darlehensle...

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