Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. unternehmerdienlicher Zweck. Teambildungsmaßnahme. betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. freiwillige Teilnahme. gemeinsame Fahrradtour der gesamten Abteilung

 

Orientierungssatz

1. Neben der eigentlichen Arbeitsleistung kann die Teilnahme an Maßnahmen zu einer Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag gehören, die den Zusammenhalt im Team stärken sollen (hier: gemeinsame Fahrradtour). Ist eine Teilnahmeverpflichtung des Arbeitgebers bindend, so erfüllt der Betroffene zumindest eine vermeintliche Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis.

2. Selbst bei einer freiwilligen Teilnahme rechtfertigt ein unternehmensdienliches Verhalten des Beschäftigten es, die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung als Bestandteil der aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses geschuldeten versicherten Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7 zu betrachten (BSG vom 15.11.2016 - B 2 U 12/15 R = SozR 4-2700 § 2 Nr 37).

3. Hierzu ist erforderlich, dass die Veranstaltung allen Beschäftigten des Unternehmens oder der betroffenen Abteilung offensteht. Die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muss im Interesse des Arbeitgebers liegen und einen betrieblichen Zweck verfolgen; sie muss die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander fördern.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.08.2021; Aktenzeichen B 2 U 1/20 R)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Erstattung von u. a. Kosten der Heilbehandlung für eine Versicherte.

Die Klägerin ist die zuständige Krankenkasse der als Sachbearbeiterin bei der T1 beschäftigten Versicherten S. (geb. xxxxx 1960). Die Beklagte ist der für das Unternehmen zuständige gesetzliche Unfallversicherungsträger. Mit Unfallanzeige vom 18. Dezember 2014 zeigte das Unternehmen gegenüber der damals für sie zuständigen Unfallkasse P. und T1 an, dass die Versicherte am 3. September 2014 um 16:50 Uhr während einer teambildenden Maßnahme auf einem asphaltierten Radweg mit leichtem Gefälle gestürzt sei. Bei diesem Unfall habe sich die Versicherte schwerste Kopfverletzungen zugezogen. Das Universitätsklinikum M. diagnostizierte unter anderem ein offenes Schädel-Hirn-Trauma mit akutem subduralem Hämatom sowie einer traumatischen Subarachnoidalblutung.

Der Vorgesetzte der Versicherten erklärte in einem Schreiben vom 30. Januar 2015, dass der Fachbereich T. Veranstalter der Maßnahme gewesen sei. Die Veranstaltung habe der Teambildung gedient. Das offizielle Ende der Veranstaltung sei um 17:00 Uhr geplant gewesen. Der Fachbereich habe insgesamt 12.569 Mitarbeiter. Im Bereich Technology arbeiteten 524 Mitarbeiter und im Bereich SDM 180 Mitarbeiter. Zu der Maßnahme seien alle 6 Mitarbeiter des Standortes M. eingeladen gewesen. Alle eingeladenen Mitarbeiter hätten an der Maßnahme teilgenommen. Von der Unternehmensleitung sei kein autorisierter Vertreter anwesend gewesen. Die Führungskraft habe jedoch Bescheid gewusst. Die Agenda für den Workshop T. M. am 3. September 2014 habe von 8:30 bis 9:00 Uhr eine Einführung I. Mobile, von 9:00 bis 10:30 Uhr eine erste Analyse Feldversuch Prozess und Produkte, von 10:30 bis 11:00 Uhr Next Steps und Aufgabenzuordnung im Team und von 11:00 bis 17:00 Uhr ein Team-Event vorgesehen. Das Team-Event sei eine gemeinsame Fahrradtour durch O. gewesen: - M1. - Richtung - E. -P2 -P1 -R ... - Ausklang beim "M2" mit Abendessen.

Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 9. März 2015 gegenüber der Klägerin, dass das Ereignis nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde. Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles seien nicht gegeben. Allein die mangelnde Beteiligung der Unternehmensleitung in Bezug auf die Organisation der Veranstaltung spreche gegen einen betrieblichen Zusammenhang. Bei der Fahrradtour habe es sich um eine dem privaten Bereich zuzuordnende Freizeitaktivität gehandelt.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls auch gegenüber der Versicherten ab. Die Teilnahme an der Fahrradtour habe nicht unmittelbar betrieblichen Belangen gedient. Das Hauptziel sei vielmehr eine gemeinsame Fahrradtour und Abendessen ohne eine betriebsbezogene "Team-Event-Eigenschaft" gewesen. Die Fahrradtour sei daher dem privaten, eigenwirtschaftlichen Lebensbereich zuzuordnen. Es habe sich auch nicht um eine Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Diese solle unter anderem der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander dienen. Während der Veranstaltung sei die Unternehmensleitung oder ein anderer autorisierter Vertreter nicht anwesend gewesen. Die Teilnahme einer Führungskraft sei jedoch zwingend erforderlich, damit die betriebliche Zielsetzung erreicht werden könne. Der unmittelbare betriebliche Zusammenhang werde auch nicht dadurch hergestel...

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