Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Sechs-Wochen-Frist nach § 275 Abs 1c SGB 5 gilt nicht für vertragliche Regelungen. Korrekturbetrag muss über Wert der Aufwandspauschale liegen. Wertgrenze von mindestens 5 Prozent des ursprünglichen Rechnungsbetrages muss nicht erreicht werden

 

Orientierungssatz

1. Die Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs 1c SGB 5 ist nicht auf vertragliche Regelungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus zu übertragen.

2. Der Korrekturbetrag muss über dem Wert der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 liegen (vgl BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R = BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20).

3. Die Wertgrenze von mindestens 5 % des ursprünglichen Rechnungsbetrages muss nicht erreicht werden (Entgegen BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R aaO).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.04.2016; Aktenzeichen B 1 KR 33/15 R)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausabrechnung der Klägerin um Euro 922,57.

Eine bei der Beklagten Versicherte befand sich vom 23. September 2009 bis 20. Oktober 2009 in stationärer Behandlung bei der Klägerin. Die Klägerin erstellte zunächst eine Rechnung vom 26. Oktober 2009 in Höhe von Euro 23.292,62. Diese wurde am 30. Oktober 2009 bei der Beklagten im Wege des DTA verarbeitet und fristgerecht beglichen. Mit weiterer Rechnung vom 29. Dezember 2009 korrigierte die Klägerin den Rechnungsbetrag auf Euro 24.215,19 und forderte nun wegen bisher nicht abgerechneter Beatmungsstunden, welche zwischen den Beteiligten unstreitig sind, eine weitere Vergütung von der Beklagten in Höhe der streitigen Klageforderung von Euro 922,57. Diese lehnte es mit Schreiben vom 15. Januar 2010 ab, die Nachforderung zu begleichen, da eine Rechnungskorrektur durch das Krankenhaus nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur innerhalb von sechs Wochen nach Erstellung der Schlussrechnung möglich sei. Diese Frist sei hier überschritten. Mit Schreiben vom 1. März 2010 verwies die Klägerin auf die Regelung in § 11 Abs. 2 des Vertrages Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (im Folgenden: § 112-Vertrag) und forderte die Beklagte erneut unter Fristsetzung auf, die restliche Vergütung in Höhe von Euro 922,57 zu begleichen. Hierzu äußerte sich die Beklagte nicht.

Die Klägerin hat am 2. März 2011 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Ihre Nachforderung könne nach § 11 Abs. 2 des § 112-Vertrages noch innerhalb von sechs Monaten geltend gemacht werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Rechtsprechung des BSG hier nicht anwendbar, weil die dortigen Entscheidungen vorbehaltlich einer abweichenden landesgesetzlichen Regelung ergangen seien, welche hier vorliege. Sie sei daher, auch nach Treu und Glauben, berechtigt, die hier sachlich und medizinisch gerechtfertigte weitere Vergütung mit der streitigen Rechnung vom 29. Dezember 2009 nachzufordern.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 29. Oktober 2013 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Euro 922,57 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 v.H. seit dem 15. Januar 2010 zu zahlen. Die Rechnungskorrektur sei zulässig, da sie innerhalb der Frist des § 11 Abs. 2 des § 112-Vertrages erfolgt sei. Sie sei auch innerhalb des gleichen Haushaltsjahres erfolgt und der Nachforderungsbetrag liege über dem Wert der Aufwandspauschale des § 275 Abs. 1c Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), womit auch die diesbezüglichen Vorgaben des BSG erfüllt seien. Soweit das BSG zudem gefordert habe, dass der Nachforderungsbetrag mehr als 5% der Rechnungssumme betragen müsse, sei dies vorliegend zwar nicht der Fall. Diese Voraussetzung sei jedoch neben der Wertgrenze der Aufwandspauschale nicht überzeugend und daher nach Ansicht des Sozialgerichts nicht maßgebend.

Die Beklagte hat gegen das Urteil des Sozialgerichts, welches ihrem Prozessbevollmächtigten am 18. November 2013 zugestellt wurde, am 18. Dezember 2013 Berufung eingelegt. Diese stützt sie darauf, dass die vom 3. Senat des BSG entwickelte 5%-Bagatellgrenze im vorliegenden Fall nicht erreicht sei. Zudem müsse die 6-Monats-Frist des § 11 Abs. 2 des § 112-Vertrages im Lichte des seit 1. April 2007 geltenden § 275 Abs. 1c SGB V gesehen werden. Die dort geregelte 6-Wochen-Frist sei auf die Situation der Nachforderungen von Krankenhäusern zu übertragen. Eine vertragliche Regelung dürfe auch nach der neueren Rechtsprechung des BSG nicht von diesen gesetzlichen Vorgaben abweichen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und vermag keine gesetzliche Regelung zu erkennen, die der vertraglichen Regelung zur Rechnungskorrektur in § 11 Abs. 2 des § 112-Vertrages entgegenstehe.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstand...

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