Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Anforderungen an den Inhalt eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Eingliederungsverwaltungsakts

 

Orientierungssatz

Als zentrales Instrument der Eingliederung gerade auch von Langzeitarbeitslosen erfordert die Eingliederungsvereinbarung eine Erhebung der konkreten Bedarfslage und daraus folgend ein individuelles Angebot mit einer maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen sowie die Bestimmung der Anstrengungen, die vom Leistungsberechtigten zu unternehmen sind. Eine Eingliederungsvereinbarung, die auf die Festlegung konkreter Eingliederungsleistungen verzichtet und sich auf die Verpflichtung zu Eigenbemühungen reduziert, ist ermessensfehlerhaft (vgl BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 42/15 R = BSGE 121, 268 = SozR 4-4200 § 15 Nr 6).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Juni 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt (im Folgenden Eingliederungsverwaltungsakt).

Der 1976 geborene Kläger steht im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er hat eine Ausbildung zum Bürokaufmann abgeschlossen. Seit 2000 arbeitete er gelegentlich ohne Ausbildung im Bereich Web Design. Bewerbungen für dieses Tätigkeitsfeld waren seit 2008 nicht mehr erfolgreich. Ein vom Beklagten vorgeschlagenes individuelles Coaching zur Überwindung von Einstellungshemmnissen lehnte der Kläger 2014 ab. Anlässlich eines Gespräches am 21. Mai 2015 bot der Beklagte dem Kläger die Teilnahme an der Maßnahme Perspektive Beruf Plus (Büro/Handel/Verkauf einschließlich Internetauktionshandel) bei der S. in Vollzeit an und legte ihm eine entsprechende Eingliederungsvereinbarung vor, die der Kläger zunächst prüfen wollte. Nachdem der Kläger den Abschluss der Eingliederungsvereinbarung beim nächsten Gespräch am 9. Juni 2015 abgelehnt hatte, erließ der Beklagte am gleichen Tag einen diese ersetzenden Bescheid mit der Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an der genannten Maßnahme in dem Zeitraum vom 16. Juni 2015 bis zum 15. März 2016 bei Übernahme der Kosten durch den Beklagten. Der Maßnahmeträger erhielt Zugriff auf die Bewerberdaten des Klägers (V.) und sollte dem Kläger u.a. Arbeitsangebote unterbreiten. Es folgte eine Belehrung über die Rechtsfolgen von Pflichtverstößen im Zusammenhang mit den Eingliederungsleistungen und bei Ortsabwesenheit.

In seinem am 29. Juni 2015 erhobenen Widerspruch führte der Kläger aus, die Eingliederungsvereinbarung habe nicht durch einen Verwaltungsakt ersetzt werden dürfen. Der Beklagte sei zum Erlass des Bescheides nicht berechtigt. Eine Eingliederungsvereinbarung müsse ferner auf die individuellen Bedarfe des Leistungsberechtigten abgestimmt sein. Die Regelung zur Übernahme von Bewerbungskosten sei zu allgemein gehalten. Der Beklagte könne keine einseitige Bestimmung der Gültigkeitsdauer der Eingliederungsvereinbarung herbeiführen. Die Speicherung und Weitergabe von ihm unbekannten Daten im Rahmen des beim Beklagten genutzten Bewerberprofils verstoße gegen sein informationelles Selbstbestimmungsrecht und das Bundesdatenschutzgesetz. Die angedrohten Sanktionen gefährdeten das Existenzminimum. Die Ausführungen zur Ortsabwesenheit seien überflüssig, weil sie sich aus dem Gesetz ergäben. Die Rechtsfolgenbelehrung sei zu unbestimmt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Dem Kläger sei erläutert worden, dass die Loslösung aus dem Hilfebezug und die Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt im Vordergrund stünden. Ihm seien konkrete, zur Erreichung des Ziels zweckmäßige Leistungen angeboten worden. Dem Kläger sei es trotz regelmäßiger Bemühungen nicht gelungen, eine Arbeit aufzunehmen. Die Teilnahme an der Maßnahme sei ihm zumutbar. Auf den Erlass der Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt habe nicht ausnahmsweise verzichtet werde können, weil keine atypische Situation gegeben sei. Die Ausführungen des Klägers zu den Bewerbungskosten seien nicht von Bedeutung, weil hierzu gar keine Regelung getroffen worden sei; die Kosten seien vom Träger der Maßnahme zu zahlen. Im Bewerberprofil würden die Daten anonymisiert veröffentlicht. Soweit der Beklagte Daten an den Maßnahmeträger weitergebe, erfolge dies auf der Grundlage von § 50 Abs. 1 SGB II. Der Regelfall der Geltungsdauer einer Eingliederungsvereinbarung von sechs Monaten sei vorliegend überschritten worden, weil die Maßnahme auf neun Monate angelegt sei.

Am 14. Oktober 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung auf das Widerspruchsverfahren verwiesen. Er sieht seine Wünsche und Einwände nicht hinreichend berücksichtigt und hält die Maßnahme nicht für geeignet. Der Beklagte ist der Klage unter Verweis auf den Wide...

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