Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Umzug junger Erwachsener unter 25 Jahren ohne vorherige Zusicherung. Hilfebedürftigkeit. Kündigung des Ausbildungsverhältnisses während Probezeit. keine Rückkehr in elterliche Wohnung. Übernahme von Mietrückständen. Ermessensreduzierung auf Null

 

Leitsatz (amtlich)

Der Zusicherungsvorbehalt nach § 22 Abs 2a S 1 SGB 2 für unter 25jährige gilt nur für diejenigen, die für die Zeit ab Beginn des neuen Mietverhältnisses SGB II-Leistungen beanspruchen.

 

Orientierungssatz

1. Das Eingehen eines neuen Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses stellt im Hinblick auf die Probezeit nicht stets das Risiko einer Kündigung dar, das iS des § 22 Abs 2a S 4 SGB 2 bei der Wohnungsanmietung zu berücksichtigen wäre.

2. Es besteht keine gesetzliche Grundlage dafür, junge Erwachsene bei aufgrund von veränderten Verhältnissen nachträglich eingetretener Hilfebedürftigkeit auf eine Rückkehr in die elterliche Wohnung zu verweisen.

3. Sind Mietrückstände durch die rechtswidrige Ablehnung der Leistungsgewährung des Grundsicherungsträgers entstanden und ist bereits eine Räumungsklage anhängig, so ist die Übernahme von Mietschulden - hier in Form eines Darlehens gem § 22 Abs 5 S 4 SGB 2 - gerechtfertigt; im Rahmen des § 22 Abs 5 S 1 SGB 2 ist deshalb von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen.

 

Tenor

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. J. L. bewilligt.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 23. November 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren.

 

Gründe

Die am 27. November 2007 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 23. November 2007, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG), ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG), aber nicht begründet.

Einstweilige Anordnungen sind zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (§ 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Der durch den beantragten vorläufigen Rechtsschutz zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Sicherung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO).

Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Übernahme der monatlichen Mietkosten für die Wohnung L.-Straße in Hamburg hat.

Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Vor Abschluss eines neuen Vertrages über eine neue Unterkunft soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher zuständigen örtlichen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen (§ 22 Abs. 2 S. 1 SGB II). Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden ihnen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der zuständige Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat (§ 22 Abs. 2a S. 1 SGB II).

Die Antragsgegnerin ist nach diesen Vorschriften verpflichtet, die Unterkunftskosten des Antragstellers zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe dieser Kosten nicht angemessen wäre, sind weder von der Antragsgegnerin vorgebracht worden noch sonst ersichtlich.

Entgegen ihrer Auffassung steht dem Anspruch auch nicht die fehlende vorherige Zusicherung der Antragsgegnerin entgegen. Die Obliegenheit, vor Abschluss eines neuen Mietvertrages eine Zusicherung des Leistungsträgers einzuholen, trifft schon nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II nur erwerbsfähige Hilfebedürftige, also dem Grunde nach Anspruchsberechtigte nach dem SGB II. Auch Sinn und Zweck des Zusicherungsvorbehalts bei unter 25jährigen gebieten ihre Anwendung lediglich auf diesen Personenkreis. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit dieser Regelung, den kostenträchtigen Erstbezug einer eigenen Wohnung durch Personen zu begrenzen, die bisher wegen Unterstützung innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft keinen eigenen Anspruch hatten oder als Teil einer Bedarfsgemeinschaft niedrigere Leistungen bezogen haben (BT-Drs. 16/688 S. 14). Eine allgemeine präventive “Lebensführungskontrolle„ von jungen Erwachsenen sollte dem SGB II-Leistungsträger dagegen nicht auferlegt werden. Da somit lediglich verhindert werden sollte, dass der Auszug junger Hilfebedürftiger aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, kann der Zusicherungsvorbehalt nur für Personen gelten, die für die Zei...

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