Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung des Arbeitslosengeld II. Verletzung von Mitwirkungspflichten. Nichtteilnahme an ärztlicher Untersuchung. keine Anwendung des § 66 SGB 1. keine Umdeutung des Entziehungsbescheides in Sanktionsbescheid. sozialgerichtliches Verfahren. Anfechtungsklage. einstweiliger Rechtsschutz. aufschiebende Wirkung. Erlass einer Regelungsanordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wer sich weigert, an einer vom Grundsicherungsträger zur Feststellung seiner Leistungsfähigkeit angeordneten ärztlichen Untersuchung teilzunehmen, verletzt die ihm gem § 59 SGB 2 iVm § 309 SGB 3 obliegende Mitwirkungspflicht. Eine Verletzung dieser Mitwirkungspflicht kann der Grundsicherungsträger nur gem §§ 31, 31a SGB 2 sanktionieren; eine Anwendung von §§ 62, 66 SGB 1 ist in derartigen Fällen ausgeschlossen. Eine Umdeutung eines auf §§ 62, 66 SGB 1 gestützten Versagungsbescheides in einen Sanktionsbescheid nach §§ 31, 31a SGB 2 ist nicht möglich.

2. Eine gegen die auf §§ 62, 66 SGB 1 gestützte (teilweise) Versagung von Arbeitslosengeld II gerichtete Anfechtungsklage ist nicht gem § 39 Nr 1 SGB 2 (Fassung ab 1.1.2009) sofort vollziehbar. Beachtet der Grundsicherungsträger die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage nicht, kann der Betroffene beim Sozialgericht beantragen, dass in entsprechender Anwendung von § 86b Abs 1 SGG die aufschiebende Wirkung der Klage ausdrücklich festgestellt wird; ausnahmsweise kommt darüber hinaus auch der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 S 2 SGG in Betracht, wenn die Leistungsversagung von dem Grundsicherungsträger ausschließlich auf §§ 62, 66 SGB 1 gestützt worden ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts für das Saarland vom 14.02.2011 geändert.

Es wird festgestellt, dass die von den Antragstellern in dem Verfahren S 12 AS 158/11 erhobene Klage aufschiebende Wirkung hat.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für die Zeit vom 01.02. bis 31.03.2011 sowie für den Monat Juli 2011 monatliche Leistungen in Höhe von jeweils 659,00 €, für die Zeit vom 01.04. bis 30.06.2011 monatliche Leistungen in Höhe von jeweils 623,10 € zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller befinden sich bei dem Antragsgegner im laufenden Bezug von Leistungen nach den Bestimmungen des 2. Buches des Sozialgesetzbuchs, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Nachdem die Antragsteller zu einem für den 17.01.2011 anberaumten ärztlichen Untersuchungstermin nicht erschienen waren, bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern mit Bescheiden vom 20.01.2011 für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2011 jeweils Leistungen in Höhe von monatlich 451,00 €, davon Regelleistungen in Höhe von jeweils 151,00 € und Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) von jeweils 300,00 €. Die Herabsetzung der Regelleistung um jeweils 208,00 € monatlich wurde im Wesentlichen damit begründet, das Nichterscheinen zu der Untersuchung werde als Weigerung gewertet, sich einer ärztlichen Untersuchungsmaßnahme zu unterziehen. Da die Anspruchsvoraussetzungen somit nicht hätten geprüft werden können, werde der Antrag jeweils in Höhe von 208,00 € gem. §§ 60, 62 und 66 des 1. Buches des Sozialgesetzbuchs, Allgemeiner Teil (SGB I) versagt. Auf Antrag würden Lebensmittelgutscheine in Höhe von jeweils 151,00 € ausgehändigt und es könnten die nachgewiesenen Kosten für Strom direkt an das zuständige Versorgungsunternehmen überwiesen werden. Die KdU würden weiterhin gezahlt.

Die gegen diese Bescheide eingelegten Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheiden vom 26.01.2011 als unbegründet zurückgewiesen.

Bereits zuvor, nämlich am 21.01.2011, hatten die Antragsteller beim Sozialgericht für das Saarland (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, der im Wesentlichen darauf gerichtet war, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen, den Antragstellern, weiterhin einen monatlichen Regelsatz von jeweils 359,00 € auszuzahlen.

Gegen die Widerspruchsbescheide vom 26.01.2011 haben die Antragsteller am 25.02.2011 Klage in dem Verfahren S 12 AS 158/11 erhoben.

Mit Beschluss vom 14.02.2011 hat das SG den - von ihm so verstandenen - Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2011 sowie den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Gegen den beiden Antragstellern am 16.02.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 03.03.2011 bei Gericht eingegangene Beschwerde, mit der die Antragsteller sinngemäß ihr Ziel der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der mittlerweile erhobenen Klage und Auszahlung der ungekürzten Regelleistung für den streitbefangenen Zeitraum weiterverfolgen.

Mit Bescheiden vom 18.03.2011 hat der Antragsgegner das Arbeitslosengeld II der An...

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