Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. Tod des Pflegebedürftigen. Anspruch eines ambulanten Pflegedienstes gegen den Sozialhilfeträger auf Übernahme noch offener Kosten für erbrachte Pflegeleistungen. fehlende Rechtsgrundlage. keine Abtretung des Sachleistungsanspruchs. kein Schadensersatzanspruch

 

Orientierungssatz

1. Der Übertragung eines Anspruchs auf Sachleistungen in Gestalt der Sachleistungsverschaffung vom Hilfeempfänger auf den Leistungserbringer im Wege der Abtretung stehen die §§ 53 Abs 1, 59 S 1 SGB 1 entgegen.

2. Die §§ 53 Abs 1, 59 S 1 SGB 1 hindern zwar nicht, dass die Rechtswirkungen einer bestandskräftigen Bewilligung von Sachleistungen in Gestalt der Sachleistungsverschaffung auch in der Zeit nach dem Tod des Hilfeempfängers fortbestehen. Rechtsgrund für einen Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger ist in diesem Fall aber nicht das übergegangene sozialhilferechtliche Leistungsrecht, sondern der seitens des Sozialhilfeträgers mit der Leistungsbewilligung erklärte Beitritt zu der zivilrechtlichen Schuld aus dem Vertragsverhältnis zwischen Hilfeempfänger und Leistungserbringer.

3. Eine Nebenpflicht aus den Verträgen zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer nach § 75 SGB 12, deren Verletzung unter Berücksichtigung des auch im Sozialrecht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des (nur) im Fall einer positiven Entscheidung über einen Leistungsantrag dem Leistungserbringer gegen über dem Sozialhilfeträger aufgrund eines Schuldbeitritts zustehenden Vergütungsanspruchs auslösen würde, lässt sich nicht begründen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.09.2017; Aktenzeichen B 8 SO 4/16 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt für beide Rechtszüge die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Ersatz von Kosten für erbrachte Pflegeleistungen.

Der Beklagte bewilligte dem 1942 geborenen und 2010 verstorbenen H-J P (im Folgenden: Hilfeempfänger), bei dem seit 2008 die Pflegestufe I nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) anerkannt war, auf den Antrag seines Betreuers hin durch Bescheid vom 20. Juli 2009 Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Gestalt von Hauspflege als Sachleistung für die Zeit vom 16. April 2009 bis zum 30. April 2010. Den Umfang der Leistungen beschrieb er in sogenannten Modulbogen, die dem Bescheid als Anlagen beigefügt waren. Mit Ausnahme des Zeitraums 23. November 2009 bis 10. Januar 2010, in dem sich der Hilfeempfänger in stationärer Pflege befand, erbrachte die vom Kläger betriebene C S W die Pflegeleistungen in der Wohnung des Hilfeempfängers. Grundlage hierfür war ein mit Wirkung ab 16. April 2009 geschlossener Pflegevertrag.

Nachdem der Betreuer des Hilfeempfängers mit Wirkung ab 11. Januar 2010 ausdrücklich einen Antrag auf Kostenübernahme bezüglich der Hilfe zur Pflege gestellt hatte, führte der Beklagte hierzu ein Verwaltungsverfahren durch. Betreffend die Prüfung des Umfangs des Pflegebedarfs lagen bis Anfang März 2010 eine fachliche Stellungnahme des Beklagten und eine Äußerung des Pflegedienstes vom 2. März 2010, in der (wiederholt) ein erhöhter Pflegebedarf geltend gemacht wurde, vor. Betreffend die Prüfung der Bedürftigkeit forderte der Beklagte von dem Betreuer des Hilfeempfängers mit Verfügungen vom 19. und 24. Februar 2010 Unterlagen an. Auf die Verfügungen antwortete der Betreuer mit Schriftsätzen vom 2. März 2010. Mit Schreiben vom 8. März 2010 richtete der Beklagte eine weitere Anfrage an den Betreuer, der hierauf mit Schriftsatz vom 12. April 2010 erwiderte und zugleich darauf hinwies, dass er zu den von ihm gemachten Angaben noch auf eine Bestätigung von dritter Seite warte, weshalb er noch um etwas Geduld bitte. Bis zum Tod des Hilfeempfängers ging ein weiteres Schreiben des Betreuers nicht beim Beklagten ein und wurde seitens des Beklagten nichts mehr in dem Verwaltungsverfahren veranlasst.

Zur Pflegerin für den Nachlass des verstorbenen Hilfeempfängers wurde Rechtsanwältin K S bestellt.

Mit Schreiben vom 7. März 2011 forderte der Kläger den Beklagten auf, noch offene Kosten für von ihm erbrachte Pflegeleistungen im Zeitraum 1. Mai bis 27. Juni 2010 in Höhe von 4.373,67 € zu übernehmen (aus den dem Schreiben beigefügten Aufstellungen ergab sich eine Gesamt-Rechnungssumme von 2.881,65 €); ausdrücklich beantragte er die Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides.

Durch formloses Schreiben vom 17. März 2011 lehnte der Beklagte eine Kostenübernahme ab. Aufgrund des “Antrags„ vom 2. März 2010 sei der Bedarf zwar festgestellt worden, eine Bewilligung habe aufgrund fehlender antragsrelevanter Unterlagen aber nicht erfolgen können. Der Anspruch des Hilfeempfängers sei nach dessen Tod nicht kraft Gesetzes auf die Klägerin übergegangen, weil sie keine sta...

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