Entscheidungsstichwort (Thema)

Besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Förderfähigkeit einer schulischen Ausbildung zum Logopäden für einen sehbehinderten Menschen. Kostenerstattung nach zu Unrecht erfolgter Leistungsversagung

 

Orientierungssatz

1. Die Förderung einer schulischen Ausbildung als besondere Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben für einen behinderten Menschen kann nicht nur in besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen gewährt werden, sondern für alle Maßnahmen, die in der Art ihrer Durchführung sowie ihrer sachlichen und personellen Ausstattung speziell auf die Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichtet sind und nicht allein für Nichtbehinderte angeboten werden.

2. Der Beruf eines Logopäden kann auch für einen sehbehinderten Menschen geeignet und eine entsprechende Ausbildung demgemäß im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben förderfähig sein. Dabei scheidet eine Leistungsgewährung nicht schon deshalb aus, da ggfs eine Tätigkeit nicht im gesamten Spektrum des Berufsfeldes möglich sein wird, da das bei einem sehbehinderten Menschen für die meisten Berufsfelder zutrifft.

3. Bei der Beurteilung, ob eine Ausbildung einen behinderten Menschen in die Lage versetzt, danach auch dauerhaft im gewählten Beruf zu arbeiten, sind auch weitere Unterstützungs- und Eingliederungsmaßnahmen, insbesondere die Möglichkeit einer Arbeitsplatzassistenz, zu berücksichtigen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. Dezember 2013 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für die in der Medizinischen Akademie in B-B in der Zeit vom 14. Oktober 2013 bis 13. Oktober 2016 absolvierte Ausbildung zur Logopädin in Höhe von 14.364,00 Euro, zuzüglich der Prüfungsgebühr in Höhe von 645,00 Euro, zu erstatten bzw. die Klägerin von noch nicht angefallenen Kosten freizustellen.

Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine in der Medizinischen Akademie in B-B absolvierte Logopädie-Ausbildung (21. Oktober 2013 bis 13. Oktober 2016).

Die 1982 geborene Klägerin erblindete im Alter von 26 Jahren und musste aus diesem Grund ihr Studium der Humanmedizin abbrechen.

Am 11. Dezember 2009 beantragte die Klägerin erstmals bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Ziel war eine Ausbildung zur Logopädin. Mit Bescheid vom 17. November 2010 bestätigte die Beklagte der Klägerin dem Grunde nach, dass sie “die Maßnahmekosten für die Ausbildung zur Logopädin für die Dauer von zwei Jahren übernimmt„.

In der Zeit vom 1. Juli 2010 bis 30. Juni 2011 absolvierte die Klägerin eine blindentechnische Grundausbildung.

Mit Schreiben vom 4. Mai 2011 teilte die Mutter der Klägerin der Beklagten mit, dass die Klägerin von der Schule für Logopädie in B eine mündliche Absage auf ihre Bewerbung erhalten habe. Der Versuch der für die Klägerin zuständigen Reha-Beraterin der Beklagten, die Klägerin zu einer Logopädieausbildung im BFW H, einer Reha-Einrichtung nach § 35 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) anzumelden, scheiterte, weil (ausweislich des handschriftlichen Vermerks in den Verwaltungsvorgängen) schon eine Ausbildung zweier sehbehinderter Schüler nicht möglich gewesen sei.

Nachdem die Klägerin im April 2012 mitteilte, auch an einer Ausbildung zur Physiotherapeutin interessiert zu sein und mit Schreiben vom 1. Mai 2012 die Kostenübernahme für diese Ausbildung beantragte, stellte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 25. Juni 2012 eine Kostenübernahme (an das B C) in Aussicht, wenn ein Kita-Platz für ihr behindertes Kind zur Verfügung stünde. In der Folgezeit ließ die Klägerin diesen Berufswunsch wieder fallen und teilte dies der Beklagten im Rahmen eines persönlichen Gesprächs am 22. Mai 2012 mit. Ausweislich des darüber gefertigten Vermerkes führte sie an, die Ausbildung zur Logopädin sei für sie vorrangig. Es bestünde ein Kontakt zur F Blindenstiftung (Herr S), die sie unterstütze; es gebe bereits einen Kontakt nach B-B zu einem aufgeschlossenen Träger.

Am 16. Juli 2012 beantragte die - damals noch in B wohnhafte - Klägerin bei der Beklagten unter Hinweis auf den Bescheid vom 17. November 2010 und eines Schreibens der Medizinischen Akademie, Schule für Logopädie B-B, vom 2. Juli 2012 zum Vorhandensein eines Ausbildungsplatzes erneut Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines Eigenbudgets (§ 17 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IX) für eine (dreijährige) Ausbildung zur Logopädin. Ein Ausbildungsplatz an der Logopädieschule in B-B sei ihr ab 15. Oktober 2012 sicher, alle ausbildungsrelevanten Formalitäten seien schon weitestgehend geklärt worden. Sie wolle den Platz auch annehmen, weil es ihr ursprünglicher Wunsch gewesen sei, Logopädin zu werden. In einer Arbeitserp...

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