Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. keine ausreichende Arbeitsmarktverbindung. weniger als 1 Jahr der Beschäftigung als Arbeitnehmer. Ablauf des 6-Monats-Zeitraums. keine Notwendigkeit der Beiladung des Sozialhilfeträgers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Tatsächlich betroffen vom Leistungsausschluss sind auch solche EU-Bürger, die weniger als ein Jahr in Deutschland gearbeitet haben und deren Leistungsanspruch nach sechs Monaten erschöpft ist.

Ein hinreichender tatsächlicher Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt besteht nach Ablauf der 6-Monatsfrist nicht (mehr). (Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 19.3.2015 - L 31 AS 1258/14). Der Ausschluss erweist sich daher als rechtmäßig.

2. Ob eine Einzelfallprüfung in diesen Fällen entsprechend dem Antrag des Generalanwalts beim EUGH in der Sache C-67/14 erforderlich ist, war nicht zu entscheiden, da weitere Bindungen zum Aufnahmestaat Deutschland nicht vorgetragen und ersichtlich sind. Gegebenenfalls wird das Bundessozialgericht und nicht der EUGH über Umfang und Inhalt des Merkmals "tatsächlicher Bezug zum Arbeitsmarkt" zu entscheiden haben, ebenso wie über die Rechtsnatur der SGB 2-Leistung.

3. Eine Beiladung des Trägers der Sozialhilfe war nicht notwendig, da es sich bei Leistungen nach dem SGB 2 und 12 um gleichrangige, selbstständig nebeneinander bestehende Sozialleistungen handelt. Das SGB 12 hat insoweit keine Auffangfunktion.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.03.2016; Aktenzeichen B 4 AS 32/15 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. November 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 8. Januar 2013 bis zum 31. Mai 2013.

Die am 1981 geborene Klägerin ist spanische Staatsangehörige.

Am 10. Mai 2012 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, sie sei vor drei Monaten von Spanien nach Berlin gezogen und habe als geringfügig beschäftigter Babysitter gearbeitet. Das dadurch erzielte Entgelt sei zu gering um damit ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Ausweislich einer Freizügigkeitsbescheinigung vom 28. Februar 2012 ist die Klägerin am 28. Februar 2012 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und bewohnt laut einer Anmeldebestätigung vom 28. Februar 2012 und einem Mietvertrag vom 28. Februar 2012 gemeinsam mit einem Mitbewohner seit 1. März 2012 eine 2,5 Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 73 m² zu einem Preis von insgesamt 750,00 € (510,00 € zzgl. 40,00 € Heizkosten zzgl. 200,00 € Betriebskostenvorauszahlung). Hiervon trug sie nach der Mietkostenaufstellung vom 25. Mai 2012 375,00 € (Grundmiete 255,00 € zzgl. 100,00 € Betriebskosten und 20,00 € Heizkosten).

Ergänzend überreichte sie eine Anmeldung bei der Minijobzentrale über einen “Haushaltsscheck„ vom 22. April 2012 der Arbeitgeberin M C über eine Beschäftigung ab 18. April 2012 mit einem monatlichen Arbeitsentgelt in Höhe von 400,00 € sowie Rechnungen vom 29. Mai 2012 für eine dreißigstündige Betreuung der Kinder der Arbeitgeberin zu einem Entgelt von 250,00 € für den Monat April 2012 und den Monat Mai 2012. Hierzu erklärte die Klägerin weiter, das Entgelt sei in bar gezahlt worden. Quittungen habe sie nicht.

Am 15. Mai 2012 schloss der Beklagte mit der Klägerin eine Eingliederungsvereinbarung.

Mit Bescheid vom 31. Mai 2012 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag der Klägerin ab und berief sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Ausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, nach dem von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Ausländer ausgenommen seien, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe.

Hiergegen legte die Klägerin mit am 19. Juni 2012 bei dem Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch ein. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei als rechtswidrig anzusehen. Im Übrigen seien die Leistungsvoraussetzungen in ihrem Fall schon deshalb erfüllt, da sie seit dem 18. April 2012 einer geringfügigen Beschäftigung als Kinderbetreuerin nachgegangen sei, wie sich aus dem Haushaltsscheck sowie den Kopien der Einkommensnachweise für April 2012 und Mai 2012 ergebe.

Mit Beschluss vom 11. Juli 2012 verpflichtete das Sozialgericht Berlin den Beklagten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, der Klägerin für die Zeit vom 18. Juni 2012 bis zum 30. November 2012 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 442,90 € zu zahlen. Dem kam der Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 2012 nach.

Mit Schreiben vom 07. Juli 2012 teilte die Klägerin mit, sie habe für den Monat Juli 2012 noch ein Entgelt in Höhe von 80,00 € für zehn Stunden Kinderbetreuung erhalten; das ...

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