Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten. Besuch einer Tagesstätte für behinderte Menschen. keine einer WfbM angegliederte Förderstätte. Einkommenseinsatz. kein Kostenbeitrag sondern Kostenbeteiligung

 

Orientierungssatz

1. Einem Hilfebedürftigen gem §§ 53 Abs 1 S 1, 54 Abs 1 S 1 SGB 12 iVm § 55 Abs 1, Abs 2 Nr 3 SGB 9 bewilligte Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten fallen nicht unter § 92 Abs 2 S 1 Nr 8 SGB 12.

2. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 55 Abs 2 Nr 3 SGB 9 gehören auch die Hilfen der Förderstätten (vgl BSG vom 9.12.2008 - B 8/9b SO 11/07 R).

3. Eine Tagesbetreuungseinrichtung ist eine teilstationäre Einrichtung iS des § 92 Abs 2 S 1 Nr 8 SGB 12.

4. Für die Anwendbarkeit des § 92 Abs 2 S 1 Nr 8 SGB 12 ist maßgeblich, welche Leistungen der Eingliederungshilfe bewilligt worden sind. Es muss sich ausdrücklich um eine die Teilhabe am Arbeitsleben vorbereitende Hilfe handeln. Die Vorschrift zielt grundsätzlich auf diejenige Personengruppe ab, die in sog Fördergruppen unter dem verlängerten Dach einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) betreut werden.

5. Zielsetzung und Funktion der in einer "Förderstätte" gewährten Hilfe sind nicht bereits durch Begriff und Aufgabenstellung vorgeprägt. Welche Hilfe einer hilfebedürftigen Person im Rahmen der Eingliederungshilfe mit welcher Zielsetzung und in welchem Umfang sowie auf welcher Rechtsgrundlage in einer solchen Einrichtung zu gewähren ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles in Abhängigkeit von dem in der Einrichtung zu deckenden individuellen Hilfebedarf einerseits und dem Leistungsangebot der Förderstätte andererseits (Anschluss an BVerwG vom 7.7.2006 - 5 B 18/06).

6. Sind ausdrücklich Hilfen zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft bewilligt worden, ist die Kostenbeteiligung des Hilfebedürftigen nach §§ 85 Abs 1, 87 Abs 1 SGB 12 zu berücksichtigen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten, die ihm vom 13. März 2006 bis 31. Oktober 2006 bewilligte Eingliederungshilfe ohne Kostenbeteiligung zu gewähren.

Der 1967 geborene Kläger erlitt im Mai 2005 aufgrund eines Schlaganfalls eine schwere Hirnschädigung. Er ist seither pflegebedürftig im Umfang der Pflegestufe III. Er ist als schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit den Merkzeichen “B„, “aG„, “H„, “RF„ anerkannt. Der Kläger bewohnte zusammen mit seiner jetzigen Ehefrau, zugleich seiner Betreuerin, eine 3-Zimmer-Wohnung zu einer Bruttowarmmiete von 549,00 €. Von Juni 2005 bis zum 01. August 2006 bezog der Kläger Krankengeld in Höhe von 819,60 € monatlich. Seit März 2006 erhielt er ein Pflegegeld in Höhe von 665,00 € im Monat und eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente der A AG Höhe von 512,70 €. Seit dem 02. August 2006 bezieht der Kläger - zunächst befristet - eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 727,22 € (monatlicher Zahlbetrag). Die Ehefrau des Klägers ist im öffentlichen Dienst beschäftigt.

Der Kläger wurde am 03. März 2006 mit den folgenden Diagnosen aus der Reha-Klinik entlassen:

- anamnestisch-organisches Psychosyndrom,

- mittelgradige depressive Episode,

- arm- und rechtsbetonte Tetraparese,

- Basilaristhrombose 19.05.05,

- Stenose der Arterie vertibralis links,

- Ponsinfarkt links ≫ rechts,

- Kleinhirninfarkte beidseitig,

- arterielle Hypertonie,

- Abducensparese links, INO links,

- Dysphagie mit Beaufsichtigungspflicht während der Nahrungsaufnahme,

- schwere Dysarthrie,

- PEG-Sonde bis September 2006 (perkutan-endoskopische Gastrostomie).

Am 06. März 2006 beantragte die Betreuerin beim Beklagten die Kostenübernahme für eine Betreuung des Klägers im Tagesbeschäftigungszentrum R der RR gGmbH, weil er Hilfe benötige, um wieder am normalen Leben teilnehmen zu können. Seit dem 13. März 2006 besucht der Kläger das Tagesbetreuungszentrum an maximal fünf Tagen in der Woche.

Nach dem vom Beklagten veranlassten Gutachten zum Gesamtplan gemäß § 58 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) vom 12. Mai 2006 bestand bei dem Kläger eine ausgeprägte Behinderung (Hirnschädigung/Störungen der Bewegungskoordination) nach Basilaristhrombose am 19. Mai 2005 und mehreren ischämisch bedingten Infarkten. Er sei gegenwärtig an einen Rollstuhl gebunden, könne nur kurzzeitig frei sitzen, er könne nicht laufen und stehen. An- und Auskleiden sei ihm nicht möglich, er benötige Hilfe bei der Körperpflege. Die Ernährung erfolge über eine Magensonde (Essen und Trinken). Seine Sprache sei verlangsamt und verwaschen. Aufgrund seiner Behinderung sei er bei den Verrichtungen des täglichen Lebens (An- und Auskleiden, Körperhygiene, Zubereitung von Mahlzeiten - gegenwärtig künstliche Ernährung, Haushaltsführung usw.) auf die Hilfe von Fremdpersonen angewiesen. Zielgruppe der Einrichtung Tagesbetreuungszentrum seien Menschen m...

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