Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit bzw. der Gewährung von Berufsschadensausgleich

 

Orientierungssatz

1. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach § 30 Abs. 2 S. 2 BVG höher zu bewerten, wenn der Geschädigte durch die Schädigungsfolgen beruflich besonders betroffen ist. Das Besondere der beruflichen Betroffenheit bezieht sich nicht auf einen bestimmten Beruf, sondern auf das Ausmaß der individuellen Auswirkungen bei dem Geschädigten in seinem Berufsleben. Als angemessener Ausgleich einer besonderen beruflichen Betroffenheit ist der Grad der Schädigung um wenigstens einen Zehnergrad zu erhöhen.

2. Bei der Entscheidung über die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs. 3 BVG muss zur Feststellung des Vergleichsberufs und zur Ermittlung des Einkommensverlustes der schädigende Vorgang hinweggedacht und der wahrscheinliche Berufsweg des Beschädigten von der Zeit an nachgezeichnet werden, in der die Schädigung stattgefunden hat. Liegt das Nichterreichen des vom Betroffenen gewählten Berufsziels in anderen Ursachen als denen der Schädigung, so ist die Gewährung von Berufsschadensausgleich zu versagen.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2011 geändert sowie der Beklagte unter Änderung des Bescheides des Versorgungsamtes Berlin vom 24. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2004 verpflichtet, dem Kläger mit Wirkung ab dem ab dem 1. August 2002 eine Beschädigtenrente nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 60 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten gerichtlichen Verfahrens zu 2/3 zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höherbewertung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS - der bis 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] bezeichnet wurde) wegen besonderer beruflicher Betroffenheit und die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1954 geborene Kläger wurde 1972 von der Erweiterten Oberschule in W-H in S relegiert. Er war darauf als Buchhandlungsgehilfe, als Hilfsarbeiter und als Pförtner tätig. Vom 21. August 1975 bis zum 10. August 1977 befand er sich wegen “staatsfeindlicher Hetze„ in Haft. Nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik besuchte er ab 1978 die Volkshochschule. Dort erwarb der Kläger 1982 sein Abitur, worauf er bis 1988 Philosophie, Germanistik und Theaterwissenschaften an der Freien Universität B studierte. Wegen Änderung der Studienordnung konnte er das Studium nicht - wie er vorgesehen hatte - direkt mit der Promotion abschließen, sondern war gehalten, zunächst eine Magisterarbeit zu fertigen. Während seiner Promotion - über die Kunsttheorie bei Friedrich Nietzsche - war er bis auf den Zeitraum von 1989 bis 1991, in dem er ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung erhielt, auf Sozialhilfe angewiesen. Da bei dem Kläger 1989 psychische Probleme auftraten, konnte er die Dissertation erst 1995 abschließen. Sein Plan, die Habilitation in Angriff zu nehmen, scheiterte daran, dass er wegen seines fortgeschrittenen Lebensalters kein Stipendium mehr erhielt. In der Folgezeit bestritt der Kläger seinen Lebensunterhalt durch AB-Maßnahmen, Arbeitslosenhilfe, kurzfristige Tätigkeiten in Museen und bei einem Jugendtheater. Von 2000 bis 2002 unterrichtete er auf Honorarbasis.

Mit Beschluss vom 18. Februar 1993 stellte das Landgericht Chemnitz unter Aufhebung des betreffenden Strafurteils fest, dass der Kläger zu Unrecht vom 21. August 1975 bis zum 10. August 1977 in Haft gehalten wurde, und rehabilitierte ihn.

Am 27. August 2002 beantragte der Kläger bei dem Beklagten Beschädigtenversorgung nach dem StrRehaG. Auf der Grundlage der beigezogenen ärztlichen Unterlagen und des versorgungsärztlichen Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W vom 5. Januar 2004 erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 24. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2004 bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge einer Schädigung im Sinne des § 21 StrRehaG an, die es mit einer MdE von 30 v.H. bewertete. Die Erhöhung der MdE wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit und die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs lehnte er hingegen ab.

Mit der Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger die Feststellung der gesamten psychischen Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolge, Beschädigtenrente unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit und Berufsschadensausgleich begehrt. Hierzu hat er insbesondere ausgeführt, dass er schädigungsbedingt sein Berufszie...

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